Promi-Öffentlichkeit:Furchtlos in Hollywood

Was die Star-Berichterstattung angeht, hatten bisher PR-Agenten das Sagen. Doch nun torpediert eine US-Reporterin mit ihrem garstigen Blog das Machtgefüge - der Beginn eines Trends.

Gerti Schön

Der Journalismus in Hollywood folgt besonderen Gesetzen. Weder die Studiobosse noch die Schauspieler sind die mächtigsten Player in der Filmindustrie, wenn es um die Berichterstattung geht - es sind die Presseleute, die sogenannten Publicists. PR-Profis wie Steven Rubenstein oder Pat Kingsley entscheiden darüber, was an die Öffentlichkeit gelangt, nicht etwa Nicole Kidman oder Viacom-Chef Sumner Redstone. Sie sitzen am Kontrollhebel und bestimmen, wer Zugang zu den Reichen und Schönen bekommt, und sie können eine Autorenkarriere mit einem Telefonanruf vernichten, wenn es in ihrem Interesse liegt.

Doch das bisherige Machtgefüge gerät allmählich aus der Balance. Die neue Queen der Hollywood-Berichterstattung heißt Nikki Finke: Die 56-jährige Reporterin, die früher ätzende Medienkolumnen für die Wochenzeitung L.A. Weekly und das New York Magazine schrieb, betreibt seit drei Jahren den Blog Deadline.com, in dem sie über die Deals und das Gezerre hinter den Kulissen der Filmindustrie berichtet - und nicht nur berichtet, sondern regelmäßig auch herzieht. Denn was Finke auszeichnet, ist eine Eigenschaft, die in Hollywood schon vor langer Zeit flöten gegangen ist, und die doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit unter Journalisten sein sollte: Furchtlosigkeit.

Sie bezeichnete etwa Jeff Zucker, den Präsidenten von NBC Universal, als "einen jener inkompetenten Unterhaltungsbosse, dem die Leute am meisten in den Hintern kriechen", und Sumner Redstone als "verrücktes altes Huhn". Sie pflegt vorzügliche Kontakte ins Innerste der mächtigsten Entertainment-Konglomerate der Welt und fasst auch diese nicht mit Samthandschuhen an. In einem der zahlreichen Porträts, die jüngst über sie in der amerikanischen Presse erschienen sind, beschreibt der New Yorker, wie Produzent Brian Grazer (A Beautiful Mind) beim Namen Finke erblasst und partout nichts Schlechtes über sie sagen will.

Das gilt auch für die Presse. Die Financial Times rühmt Finke als "regierende Königin der Hollywood-News", und der New York Observer ernannte sie gar zum "Medienmenschen des Jahres 2008". Time listet sie im vergangenen Jahr unter die 100 einflussreichsten Menschen weltweit. Doch auch sie ernten dafür keinen Dank. In ihrem Blog klagt Finke darüber, wie viel Zeit sie mit dem New Yorker-Reporter verschwendet habe und publiziert ihre eigenen Recherchen darüber, wie "Hollywood den New Yorker manipuliert hat": Hintergrundinformationen über Brad Grey, dem Chef von Paramount, seien dort nach einer Intervention des Publizisten des Studios hastig wieder gestrichen worden - eine mühelose Aufgabe für den PR-Agenten der Firma, schrieb Finke. Lesen sie auf Seite 2, warum Finkes Blog der Beginn eines neuen Trends ist.

Verlautbarungsorgan für das Ego

In einer Industrie, wo man mit gegenseitigem Schönreden sehr viel weiter kommt als mit knallhartem Verhandlungspoker, fällt ein Bully wie Finke schnell aus dem Rahmen. Doch statt sie wegen ihrer Unflätigkeiten zu schneiden, wird sie im Gegenteil dafür bewundert. Sie lässt sich von keinem Presseagenten sagen, was sie schreiben soll, und das wird ihr in den Medien hoch angerechnet. Aber war das nicht einmal die Aufgabe eines Journalisten? John Ortved, der soeben für sein Buch The Simpsons - An Uncensored, Unauthorized History einige Jahre lang in Hollywood recherchiert hat, mag sich auf diese Frage nicht einlassen. "Nikki Finke ist keine Journalistin, sie bloggt."

Tatsächlich ist Finkes Blog, den sie in diesem Jahr an das Contentunternehmen Mail.com verkauft hat, jedoch weiterhin als Chefautorin fungiert, keineswegs neutral. Es dient regelmäßig als Verlautbarungsorgan für das Ego seiner Autorin. "Hab ich euch doch gesagt!", trompetet sie regelmäßig, wenn eine ihrer Vorhersagen in Erfüllung gegangen ist.

Weniger zartbesaitete Zeitgenossen schießen auf ihre Attacken hin genüsslich zurück. So wettert etwa Regisseur Rod Lurie im Rahmen des Konkurrenzblogs TheWrap: "Ihre Geschichten sind voller Bitterkeit, Zorn und Selbstgerechtigkeit. Sie steht stellvertretend für einen problematischen Trend im Journalismus: ungeprüfte Berichterstattung." TheWrap, das von Finkes ehemaliger Freundin und Hollywood-Korrespondentin der New York Times Sharon Waxman betrieben wird, scheint derzeit die einzige Publikation zu sein, die es wagt, sich gegen Finke aufzulehnen - alte Feindschaften bleiben auf diese Weise länger frisch.

Finkes Blog ist der Beginn eines neuen Trends. Nach Ansicht der Milieukenners Ortved geht die Strategie der Hollywood-PR-Leute, alles kontrollieren zu wollen, ohnehin allmählich nach hinten los. "Die Presseleute haben zu viel Macht und schaden damit sowohl den Schauspielern als auch den Journalisten", sagt er.

Seine Anfragen nach Interviews mit den Autoren der Simpsons wurden vom Fox Studio konsequent abgelehnt, weil die Produzenten befürchteten, die Sache könnte Matt Groenings Alleinanspruch als Schöpfer der Serie schaden. Ortved glaubt, dass er weitaus weniger Recherchen unternommen hätte, wären die Fox-Manager auf seine Anfragen eingegangen. "Ich habe daraus gelernt, dass die PR-Leute so an unterwürfige Journalisten gewohnt sind, dass sie nicht mehr verstehen, was Journalismus eigentlich ist. Immerhin ging es hier um Cartoons, nicht um Watergate."

Doch mit den Blogs und der Digitalisierung der Medien scheint auch in Hollywood eine Zeitenwende begonnen zu haben. Zunehmend Probleme bereitet den PR-Leuten vor allem das Micro-Blogging-Instrument Twitter. Viele Regisseure und Schauspieler wie Ashton Kutcher umgehen ihren Pressetross und wenden sich direkt an die Fans. Die Nachrichten sind nicht immer gefällig: Hier wettert Celebrity-Blogger Perez Hilton gegen die Erziehungsmethoden von Kutchers Ehefrau Demi Moore, dort verteidigt Kirstie Alley Scientology. American Idol-Jurorin Paula Abdul kündigte per Twitter ihren Abschied an und ließ dem Fox-Network keine Chance, ihren Abgang zu beschönigen.

"Die PR verliert allmählich an Einfluss, und damit wird das extreme Kontrollbedürfnis der Studios konterkariert", sagt die Hollywood-Beobachterin Dagmar Hovestädt, die in Los Angeles für deutsche Sender arbeitet. "Nikki Finke hat mit ihrem Blog etlichen etablierten Medien das Wasser abgegraben."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: