Prohibition und Verbrechen:Erschöpfte Killer

Leseprobe

Einen Auszug des Romans stellt der Verlag hier zur Verfügung.

In seinem neuen Roman "Am Ende einer Welt" erschließt Dennis Lehane der Mafia nach dem Ende der Prohibition neue Einkommensquellen.

Von David Steinitz

Das Dümmste, was einem anständigen Mafioso in den Dreißigerjahren passieren konnte, war die Unterschrift, die der damalige US-Präsident Franklin D. Roosevelt unter den sogenannten Cullen-Harrison Act setzte. Damit beendete er die Prohibition, und all der illegal gebrannte und geschmuggelte Rum, all die Whiskey-Fässer - sie waren plötzlich keine Grundlage mehr für eine vernünftige Gangsterkarriere.

Der große amerikanische Krimiautor Dennis Lehane, der durch seine finsteren Verbrechermeditationen "Mystic River" und "Gone Baby Gone" berühmt wurde, hat sich in den letzten Jahren an den Untiefen der Prohibition abgearbeitet. 2008 erschien sein Boston-Epos "Im Aufruhr jener Tage" über den Ostküstenwahnsinn der Jahre 1918 und 1919: den Beginn der Prohibition, die Kommunistenhatz, die Spanische Grippe - Boston als ein "Zoo ohne Käfige". 2012 folgte "In der Nacht", ein wilder Gangster-Roadtrip im Stil eines Film noir - eine hoffnungslos romantische Liebesgeschichte also.

Nun legt Lehane mit "World Gone By / Am Ende einer Welt" den Abschluss einer losen Trilogie über Aufstieg und Fall der großen amerikanischen Verbrechersyndikate vor. Die Geschichte spielt in den frühen Vierzigerjahren in Florida. Die Mafia muss sich statt des Alkoholschmuggels neue Verdienstwege überlegen und macht durch den Krieg drüben in Europa jede Menge lukrative Geschäfte. Wie im vorherigen Buch steht der irische Gangster Joe Coughlin im Zentrum. Er hat es als Berater und Geschäftspartner der italienischen Mafia zu viel Geld und Ansehen gebracht. Nur: ein geheimnisvoller Strippenzieher hat einen Killer auf ihn angesetzt. Joe bleiben knapp zwei Wochen, um herauszufinden, wer ihn umbringen will. Zwei Wochen, in denen er die verrauchten Hinterzimmer, verschwitzten Motels und schummrigen Bars in Tampa, Florida abklappert, um seinen Kopf zu retten und den seines Sohnes.

Lehane entwirft das melancholische Panorama einer heruntergewirtschafteten Gesellschaft. Die Männer, die sich hier gegenseitig die Waffen an den Kopf halten und ihre alten Machtspielchen spielen, sie sind allesamt müde geworden, erschöpft. Sie hängen einem Wertesystem und einer Kultur an, die schon in wenigen Jahren von den ersten Ausläufern der Beat-Generation durch rituellen Vatermord abgestraft werden wird. "Am Ende einer Welt" ist aber natürlich auch wieder eine kluge, traurigkomische Abhandlung von Lehanes großem Überthema. Joe, dieser gnadenlose Jäger und Gejagte, hat in Wahrheit noch viel schlimmere Ängste als den Tod. "Eines von Joes größten Geheimnissen war seine umfassende Furcht vor der Einsamkeit."

Dennis Lehane: Am Ende einer Welt. Aus dem Englischen von Steffen Jacobs. Diogenes Verlag, Zürich 2015. 400 Seiten, 24 Euro. E-Book 20,99 Euro.

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