Süddeutsche Zeitung

Programm der Berlinale:Ideen übertreffen jedes Geld

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Bislang enttäuschen ausgerechnet die Berlinale-Beiträge mit großen Budgets. Sie wirken pathetisch und rührselig. Aber es gibt auch erfreuliche Gegenbeispiele - man wünscht dem Filmfestival mehr davon.

Von Paul Katzenberger, Berlin

Geld und große Namen allein machen noch kein großes Kino. Wer dafür noch eine Bestätigung braucht, der muss nur den Start der diesjährigen Berlinale auf sich wirken lassen.

Mit großem Tamtam eröffnete "Nobody Wants the Night" mit Frankreichs Superstar Juliette Binoche das Festival, die Erwartungen waren entsprechend hoch. Aber sie wurden schließlich umso stärker enttäuscht. In der Hauptstadtpresse fiel der Film komplett durch, von "geistiger Armut" war die Rede, "so ein Kitsch-Desaster" habe die Berlinale nicht verdient. Derartige Verrisse hatte der Film der Katalanin Isabel Coixet zwar auch nicht verdient, aber weniger Pathos hätte dem Film gut getan. Die brillante Eröffnung, wie sie die Berlinale im Vorjahr mit "The Grand Budapest Hotel" hingelegt hatte, konnte sie in diesem Jahr jedenfalls nicht wiederholen.

Auf Juliette Binoche als die Nordpol-Pionierin Josephine Peary folgte Werner Herzogs Allstar-Film "Queen of the Desert" mit Nicole Kidman in der Hauptrolle über die Forschungsreisende, Archäologin, Schriftstellerin und Politikerin Gertrude Bell (1868 - 1926). Aber was machte Herzog aus der bewegten Lebensgeschichte einer faszinierenden Persönlichkeit? Ein Rührstück, eine Romanze mit einem Hauch orientalischer Exotik. All die imposanten Schauplätze und Starpower (neben Kidman waren noch James Franco und Robert Pattinson im Aufgebot): geschenkt. Beinahe wirkt es, als ob Herzog seinem Lebenswerk endlich auch ein Kitsch-Stück hinzufügen wollte.

Gerade die stilleren Filme überzeugen

Dabei hat gerade er bewiesen, dass es keiner großen Budgets bedarf, um der Welt unvergessliche Filme zu geben. Keiner hat die Verlassenheit von blinden Taubstummen eindrücklicher dargestellt ("Land des Schweigens und der Dunkelheit" von 1971) und sein Interview-Film "Death Row" von 2012 verdeutlicht wie kaum ein zweites Werk die Perversion der Todesstrafe in den USA. Auch Isabel Coixet hat ihre besten Filme mit kleiner Münze gemacht. Für ihr Drama "Mein Leben ohne mich", über eine 23-jährige Mutter zweier Kinder, die unheilbar an Krebs erkrankt, und die für ihre Familie das künftige Leben ohne sie regelt, wurde sie auf der Berlinale 2003 zu Recht gefeiert.

Insofern war das Festival in diesem Jahr gut beraten, neben seine opulent besetzten Heldinnen-Geschichten auch zwei stillere Filme ins Programm zu heben. Und gerade die überzeugten. Einfacher als der Film "Taxi" von Jafar Panahi kann Kino kaum gemacht sein ( hier lesen Sie eine ausführliche Rezension).

Auch der Brite Andrew Haigh traf in "45 Years" gerade wegen seiner Ruhe den richtigen Ton für ein gewichtiges Thema: die späte Krise in einer Ehe mit 45 gemeinsam verbrachten Lebensjahren, die innerhalb weniger Tage nichts mehr so erscheinen lässt, was jahrzehntelang stabil erschien.

Aus guten Ideen resultiert eben gutes Kino, man kann der weiteren Berlinale nur mehr davon wünschen. Etwa am kommenden Dienstag, da ist James Franco mit dem nächsten deutschen Groß-Regisseur in einem Allstar-Film im Programm: in Wim Wenders "Everything will be fine". Ob der Titel allerdings berechtigt ist, muss der Film erst noch beweisen.

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