Pro und Contra: Sex and the City:Wüste, dein Name sei Sex

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"Sex and the City" ist frauenfeindlich, findet Ruth Schneeberger. Katharina Riehl hingegen freut sich auf den neuen Kinofilm. Ein Pro und Contra.

So können sich Frauen wiederentdecken. Pro Sex and the City: Katharina Riehl findet die Serie höchst unterhaltsam.

Unterhaltsam - oder ärgerlich? Kristin Davis, Cynthia Nixon, Kim Cattrall and Sarah Jessica Parker (v.l.) bei der Premiere des Kinofilms 'Sex and the City' in London. (Foto: dpa)

Es ist ja nicht so, dass das Leben von Carrie, Samantha, Charlotte und Miranda mit meinem Leben jemals besonders viel zu tun gehabt hätte. Die vier Frauen waren wohlhabend, immer in die teuersten Klamotten gehüllt, lebten in New York und sprachen beinahe ausschließlich über Sex.

Und wahrscheinlich genau deshalb habe ich Sex and the City immer geliebt. Der Dienstagabend auf Pro Sieben war viele Jahre für mich ein Ausflug in eine schön künstliche Welt. Eine Welt voller untragbarer Schuhe, vollkommen bescheuerter Outfits und absolut sinnloser Probleme. Und es war schön dort.

Das Geheimnis von Sex and the City ist schnell erklärt: Es ist die perfekte Mischung aus Modekatalog und Serie, die Carrie & Co. für die Frauen dieser Welt - mich eingeschlossen - zur perfekten Abendunterhaltung machten: Weil es gut erzählte Geschichten waren, schöne Dialoge - und vor allem, weil es immer schön anzusehen war.

Kleid und Schuh als Darsteller

Stand doch, trotz all der unerwiderten Liebe durch den angebeteten Big, trotz all der erotischen Irrungen und Wirrungen, eigentlich immer das Kleid im Mittelpunkt. Oder natürlich der Manolo Blahnik - ein Schuh, der durch Sex and the City zum Inbegriff des teuren Lifestyle-Accessoires wurde und zum wahrscheinlich wichtigsten Nebendarsteller der Serie.

Das Besondere an Sex and the City war die Mischung aus Comedy und Daily Soap. Heute gibt es viele solche Formate, auch in Deutschland. Berlin, Berlin war so eins, derzeit spielt Doctor's Diary in dieser Kategorie. Bis Sex and the City ins Fernsehen kam, war ein solches Konzept neu. Sex and the City war lustig, ohne eine Sitcom zu sein, die Serie kam also ohne eingespielte Lacher aus. Und es war dramatisch wie eine tägliche Seifenoper, mit viel Liebesschmerz und Tränen - aber ohne lieblose Dialoge, die für die unzähligen Folgen immer wieder neu zusammengeschmissen werden.

Ich glaube, ich mochte die Serie auch gerade deshalb, weil ich mich mit keiner der Figuren emotional jemals besonders verbunden gefühlt hätte. Ich konnte mich mit keiner von ihnen so richtig identifizieren: Samantha war immer zu verrückt, Miranda immer zu neurotisch, Charlotte immer zu spießig und Carrie immer zu wankelmütig.

Aber ich hatte immer das Gefühl, in jeder der vier Figuren ein kleines bisschen von mir wiederzuentdecken. Man konnte alle Frauen belächeln - und wusste trotzdem immer, dass auch in einem selber ein kleines Stück Charlotte, Carrie, Miranda, Samantha zu finden ist. Die Figuren haben den Zuschauer nicht vereinnahmt - und wahrscheinlich genau deshalb so oft ins Schwarze getroffen.

Let's talk about Sex

Sex and the City hat nicht mein Leben verändert. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Frauen durch diese Fernsehserie von allen alten Vorurteilen in Sachen Sexualität befreit worden wären. Dass die Frau an sich ein unverkrampfteres Verhältnis zu sich und ihrem Körper hat als vor Sex and the City, das ist natürlich Unsinn.

Trotzdem war Sex and the City die erste Serie, in der Frauen offen über Sex gesprochen haben. Das mag auf das Leben echter Frauen wenig Auswirkungen haben. Für das mediale Bild von Frauen hat diese Serie dennoch einen Beitrag geleistet - auch wenn zum Ärger vieler Fans am Ende der Serie doch alle vier Protagonistinnen in einer monogamen Beziehung sind und einige die Prinzipien des unabhängigen Frauenlebens verraten zu haben scheinen.

Das ändert nichts daran, dass niemals zuvor im Fernsehen in dieser Weise über Intimrasuren und Penislängen gesprochen wurde. Die vier Frauen aus New York City haben hier eine Zäsur geschaffen. Das ist doch schon was.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, was man an Sex and the City hassen kann.

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Sarina Pfauth

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Es gibt im neuen Kinofilm Sex and the City 2 eine verräterische Szene: Carrie und ihre Freundinnen stöckeln aus hanebüchenem Grund durch die Wüste, um mitten in Abu Dhabi von einem Grüppchen schwarz verhüllter Frauen in ein Hinterzimmer gelockt zu werden - und da offenbaren ihnen die Damen, was sie unter der Burka tragen. Es ist natürlich die Frühjahrskollektion eines angesagten Designers aus New York, der Stadt, die Musliminnen über alles lieben, ohne sie jemals betreten zu haben. Freudige Gefühlsausbrüche auf beiden Seiten.

Da ist er also, der alte amerikanische Traum von der Weltherrschaft, vom global village, bestückt aus Hollywood und Manhattan. Gestern noch galten muslimische Gläubige als potentielle Terroristen - in der Sex-and-the-City-Version schaut man unter die Burka, und weiß, wer Freund und wer Feind ist. New York, so die Botschaft, muss man einfach lieben. Es lebe der Kapitalismus, der sie am Ende doch alle holt.

Um es ein für allemal unmissverständlich darzustellen: Man kann Mode, Glamour und Sex lieben, und Sex and the City trotzdem hassen. Meiner Meinung nach handelt es sich bei der Rezeption der hochgejubelten US-Serie nämlich um ein Missverständnis: Diese vier Frauen sind nicht so, wie Frauen sind. Sie sind so, wie schwule Männer sich Freundinnen vorstellen. Das ist keine diskriminierende Aussage - diskriminierend ist vielmehr, ein solch reaktionäres Frauenbild vorgesetzt zu bekommen. Und es dann noch als Gipfel der Coolness zu feiern.

Es beginnt schon mit dem Fistelstimmchen der Hauptdarstellerin Carrie. Ausgemergelt trippelt die Langhaarige auf schwindelerregenden Stilettos durch die Stadt. Arbeiten muss sie nicht - es reicht, wenn sie einem Millionenpublikum einmal die Woche schriftlich mitteilt, wie ihr Sexleben gerade aussieht. "Kolumnistin" nennt man das.

Und weil es gar so schön ist, der Ü-40-Jährigen mit den herben Zügen ins Schlafzimmer zu blicken, hat sie noch drei Freundinnen, die auch immer ganz viel über ihr Bett, den Küchentisch oder sonstige einfallslose Orte erzählen müssen, an denen Sex möglich sein könnte - wenn der richtige Mann vorhanden wäre.

Sex ist nicht wirklich das Thema

Noch so ein Missverständnis: In dieser Serie geht es nicht um Sex. Es geht darum, sich Sex auszumalen. Dabei sind die amourösen Verstrickungen der vier Grazien alles andere als originell. Im aktuellen Kinofilm gilt es schon als unglaublich verrucht, wenn sich die sexbesessene Samantha lauthals mit einer neuen Bekanntschaft vergnügt, während ein Stockwerk tiefer ein befreundetes Schwulenpaar heiratet. Und Liza Minnelli singt dazu.

Nichts gegen schwulen Kitsch, aber er sollte nicht als Mädchentraum verkauft werden. Dann wirkt er albern. Das Schlimmste aber sind heterosexuelle Männer, die diese Serie zu Weiterbildungszwecken gucken, um zu erfahren, "wie Frauen ticken". Dort lernt man höchstens, wie Frauen ticken sollten - aus männlicher Sicht. Hier ist Cosmopolitan zur TV-Serie geworden.

Dabei haben die Autorin der Vorlage, Candace Bushnell, und die schwulen Schöpfer der Serie, Michael Patrick King und Darren Star, nicht mal Boshaftes im Sinn. Es geht eher um ihre als romantisch empfundene Vorstellung davon, wie Frauen "gestrickt" sind. Demnach gilt ihr Interesse allein zwei Themen - Mode und Männern. Wobei beide möglichst groß sein sollten: Mode ist gut, wenn sie von einem großen Designer stammt, Männer sind gut, wenn sie als "Mr. Big" daherkommen.

Das ist schon wieder ein diskriminierendes Klischee, weil es den Mann auf einen körperlichen Umstand beschränkt und die Frau in die untergeordnete Kleinmädchenrolle drängt. Unabhängig davon: Das Bild von einer Frau, deren ganzes Leben sich um die Suche nach einem Märchenprinzen rankt, war das nicht schon mal überholt? Es mag ja sein, dass ganze Bevölkerungskreise sich jenes Frauenbild zurücksehnen - aber diese Kreise sind, so viel sollte klar sein, nicht überwiegend weiblich.

Das ist die größte Täuschung, der wohl die meisten Rezipienten dieser Serie erlegen sind: Es geht eben nicht um ein realistisches Bild moderner, womöglich emanzipierter Großstadtfräuleins mit romantischer Ader. Es geht um die möglichst massenkompatible, also werbewirksame Vermarktung einer überzeichneten romantischen Vorstellung davon, wie Frauen zu agieren haben, damit die Welt weiterhin A Man's World bleiben kann.

Dabei ist die Serie geschickt in einem humorigen Ton angelegt. Ihre Schöpfer basteln aus der männlich wirkenden Hauptdarstellerin den Kleinmädchentyp, sie machen sich über die naiv-dümmliche Charlotte ganz liebevoll lustig, sie bewundern die ach so toughe Miranda als Kumpeltyp, vor allem aber vergöttern sie selbst wohl ihre liebste Schöpfung am meisten: Samantha, das Penis-schluckende Sexmonster, nie um einen Altherrenwitz verlegen, immer einen schlüpfrigen Scherz auf den wollüstigen Lippen, und sei er noch so schwül.

Wir sind ja so offen

All diese Phantasiefiguren, das glaubt man den Machern gerne, werden von ihren Schöpfern geliebt - aber auch nur deshalb, weil sie nicht real sind. Wenn diese Erkenntnis mal in der Rezeption ankommen könnte, und nicht zum achtzigsten Mal geschrieben würde, wo man welches Outfit welcher Hauptdarstellerin nachstylen kann und dass das "moderne Märchen" in die nächste Zauber-Runde gehe, dann wäre ja alles nicht so schlimm.

Ja, es ist ein Märchen, aber was ist daran modern? Komplett overdressed und überschminkt durch Wüste und Großstadtdschungel zu stöckeln? Immer irgendeinem "heißen Typen" hinterherzuhecheln?

Auch die angeblich so "offenen" Gespräche über Sex - wo waren jene, die darauf reinfallen, 1968? Zu jung? Zu alt? Noch nicht bereit für die sexuelle Revolution?

Man darf ja zum Abschalten ruhig mal einem TV-Traum auf den Leim gehen - aber wer noch echte Träume hat, der sollte sich durch Sex and the City nicht vereinnahmen lassen. Frauen weit jenseits der Pubertät, die sich von Themen wie Politik, Wirtschaft oder Kultur weit fernhalten, um im M&M-Universum zwischen Männern und Mode zu versinken, leben kein selbstbestimmtes Leben. Sie sind ferngesteuert.

Am Ende des neuen Filmes heißt es versöhnlich: Man kann die Tradition nehmen und sie mit eigenen, bunten Erfahrungen mischen. Jedes Paar habe seine eigene Erfahrungswelt. Schöner hätte das ein Buch zur sexuellen Aufklärung der siebziger Jahre nicht ausdrücken können - für Zwölfjährige.

Und was ist Bahnbrechendes passiert, dass man am Ende so offenherzig an die Toleranz der Zuschauer appellieren müsse? Carrie hat - du meine Güte - in der Wüste ihren Exfreund geküsst. Zwei Sekunden lang. Mit geschlossenen Augen. In Erinnerung an alte Zeiten. Um daraufhin total aufgeregt mitten in der Nacht ihren aktuellen Ehemann anzurufen und ihm davon zu berichten. Am Ende liegen sie sich wieder in NY in den Armen, er hat ihr endlich den begehrten Juwelenring geschenkt anstelle des Flachbildfernsehers.

Plötzlich ist gemeinsames Kuscheln auf der Couch wieder alles andere als spießig. Mit unterwürfigem Blick kuschelt sich Carrie an Mr. Bigs breite Schultern.

Es ist zum Heulen.

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