Süddeutsche Zeitung

Privatverkäufe statt Auktionen:Im Stillen

Lesezeit: 4 min

Bei "Private Sales" treten Auktionshäuser als bloße Vermittler auf. Käufer und Verkäufer schätzten das, der Diskretion wegen. Jetzt, in der Corona-Pause, retten sie damit einen Teil ihres Geschäfts.

Von Ulrich Clewing

Diskretion ist eine harte Währung im Auktionsgeschäft, und besonders wortkarg waren die Angestellten der großen Häuser bisher bei den sogenannten Private Sales. Dabei handelt es sich um Verkäufe, die anders als die Versteigerungen ohne Publikum über die Bühne gingen - meist weil Käufer oder Verkäufer verhindern wollen, dass die Öffentlichkeit, Familienangehörige, Bekannte oder Geschäftspartner von den Deals erfuhren.

Oft spielt auch die Prominenz der Akteure oder der Kunstwerke eine Rolle. Kommt ein Werk auf den Markt, dessen Besitzer bekannt ist, setzt der oder die sich schnell Spekulationen aus, in Geldproblemen zu stecken. Umgekehrt möchte nicht jeder, dass alle Welt erfährt, wie viel Geld man gerade für diese oder jene Arbeit ausgegeben hat. Mancher Handel kommt dann trotzdem ans Tageslicht. Eines der bekanntesten Beispiele der letzten Jahre war der Verkauf von Gustav Klimts "Porträt der Adele Bloch Bauer" an den Sammler und Museumsgründer Ronald Lauder für 135 Millionen Dollar, dem damals höchsten Preis, der je für ein Gemälde gezahlt worden war.

Galeristen klagen, die Auktionshäuser wilderten mit den Verkäufen auf ihrem Terrain

In den Bilanzen der großen Zwei, Sotheby's und Christie's, machen sich die Private Sales deutlich bemerkbar. "Im vergangenen Jahr," sagt David Schrader, Sotheby's Worldwide Head of Private Sales, "haben wir eine Milliarde Dollar umgesetzt." Bei Christie's sind die Zahlen für 2019 mit 810 Millionen Dollar und etwa 14 Prozent des Gesamtumsatzes ähnlich.

In Zeiten von Covid-19 hat sich die Lage geändert. Nachdem allein Sotheby's und Christie's in diesem Frühjahr weltweit Dutzende von Auktionen absagen mussten oder ins Internet verlegt haben, sind die Private Sales nicht mehr ganz so private. Ende März brachte Sotheby's eine neu gestaltete Website heraus, auf der klar erkennbar ist, dass die Angebote nicht mehr nur im Multi-Millionen-Bereich angesiedelt sind. Dort werden Werke offeriert wie die "Surf Watchers" des hierzulande nicht zu den Superstars zählenden amerikanischen Malers Jamie Wyeth. Das Ganze ähnelt mehr den immer beliebter werdenden Online-Auktionen, bloß ohne Auktion. Im Angebot ist auch eine Gouache von Bridget Riley aus dem Jahr 1989. Sogar teuren Wein gibt es nun unter dem Label Private Sale - zum Beispiel einen roten Burgunder der Domaine Romanée Conti, das Kenner zu den besten Weingütern der Welt zählen.

"Wir haben permanent hunderte von Werken in unseren Private Sales", so David Schrader, "darunter befinden sich nicht nur Arbeiten der klassischen und zeitgenössischen Kunst, sondern mehr und mehr auch Uhren, Weine, Juwelen und seltene Bücher und Manuskripte."

Auch bei Christie's bekommen die Private Sales neue Bedeutung, und auch dort ist die Nähe zu den Online-Auktionen, mit denen sich Christie's schon seit Jahren hervortut, nicht zu übersehen. Pablo Picassos Gemälde "Landschaft bei Vallauris bei Nacht" von 1952 dürfte noch locker in siebenstelligen Preisregionen angesiedelt sein. Doch Max Ernsts Bild "Aber in Farbe" von 1962 oder Hans Arps abstrakter "Kopf" von 1927 sind sicher günstiger zu bekommen.

Für potenzielle Käuferinnen und Käufer bieten die Privatverkäufe außer der Anonymität noch eine Reihe anderer Vorteile. Einer der entscheidenden ist die Unabhängigkeit von Terminen oder Laufzeiten der Online-Auktionen. Kunstwerke in der Private-Sales-Sektion können alle Interessenten zu jeder Zeit erwerben, ohne wie bei den regulären Auktionen lange warten zu müssen. Auch was die Preise betrifft, kann es sich für sie durchaus positiv auswirken, dass es bei den Private Sales nicht zu hitzigen Bietergefechten kommt, welche die Gebote im Auktionssaal nach oben treiben.

Es gibt allerdings auch Kritiker der Praxis der Private Sales, und viele sind in der gleichen Branche tätig. Gerade Kunsthändler und Galeristen bemängeln, die großen Auktionshäuser würden ihre dominante Stellung am Markt (und vor allem: ihre mit potenziellen Käufern übervollen Adresslisten) dazu nutzen, ihnen das Wasser abzugraben. David Schrader von Sotheby's kann diese Vorwürfe nicht nachvollziehen. "Ich denke nicht, dass wir mit unseren Private Sales dem traditionellen Kunsthandel schaden. Zum einen verkaufen wir Kunst auf diese Weise schon seit unserer Gründung im Jahr 1744. Und zum anderen", so Schrader, "gehören etliche Galeristen und Kunsthändler zu unseren besten Kunden."

Auch bei Christie's beruft man sich darauf, dass bereits der Firmengründer James Christie im späten 18. Jahrhundert selbstverständlich nicht nur Auktionen abhielt, sondern auch Private Sales arrangierte. Manchmal befinde man sich untereinander im Wettbewerb, "aber Kunsthändler", heißt es aus der Christie's-Zentrale in London, "sind in erster Linie auch unsere Kunden. Wir glauben fest daran, dass es am Kunstmarkt Platz für beide gibt. Und die privaten Käufer können von einer solchen möglichen Konkurrenz ohnehin nur profitieren."

Bei den deutschen Häusern sieht man Privatverkäufe eher skeptisch

In Deutschland stellt sich die Situation noch etwas anders dar. Robert Ketterer aus München, Inhaber eines der größten deutschen Auktionshäuser, macht sich in der Hinsicht keine Illusionen. Werke im hohen einstelligen, zweistelligen oder sogar dreistelligen Millionenbereich, die man zu den klassischen Private Sales rechnen müsste, kämen, so Ketterer, "eh nicht in den deutschen Handel". Und Arbeiten, deren Preise darunter lägen, seien aus anderen Gründen eventuell problematisch. "Wenn Einlieferer mit Gemälden oder Skulpturen unter einer Millionen zu uns kommen und diese nicht in eine Auktion geben wollen, sondern darauf bestehen, sie in einem privaten Verkauf anzubieten, dann ist das oft ein Hinweis darauf, dass sie dem Wert der Stücke selber nicht ganz trauen."

Ketterer, dessen Geschäftsbilanz in der jüngeren Vergangenheit nur eine Richtung kannte, nach oben, setzt im Jahr zwischen anderthalb und zweieinhalb Millionen Euro mit herkömmlichen Private Sales um. "Das entspricht etwa zwei Prozent unseres Gesamtumsatzes." Der Münchner konzentriert sich daher bereits seit längerem auf Online-Auktionen und hat damit zuletzt bemerkenswert großen Erfolg gehabt. Die letzte Internet-Auktion im März dieses Jahres war die ertragreichste überhaupt in der Geschichte des Hauses.

Bei Ketterers Konkurrenten, dem Berliner Auktionshaus Grisebach, sieht die Sache ähnlich aus. Den Anteil der nicht-öffentlichen Privatverkäufe am Gesamtumsatz taxiert man dort mit "zehn bis zwanzig Prozent" etwas höher, Tendenz steigend. Doch auch dort ist man sich im Klaren, dass, Covid-19 hin oder her, in Deutschland grundsätzlich die Gesetze der Marktphysik gelten: Die wirklich exorbitant teuren Kunstwerke werden seit jeher in London und New York verkauft. Abgesehen davon boomt in den darunter angesiedelten Regionen derzeit das Online-Geschäft. Den Käuferinnen und Käufern kann dies nur Recht sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4887209
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.