Premiere:Hinab zu den wilden Kerlen

Premiere: Echte Männer stehen zusammen, auch im Tod: Jonathan Müller als Yank (oben) und Jakob Immervoll als Paddy.

Echte Männer stehen zusammen, auch im Tod: Jonathan Müller als Yank (oben) und Jakob Immervoll als Paddy.

(Foto: Arno Declair)

Theater aus einer Vergangenheit, die es so wohl nie gab und die man auf jeden Fall nicht haben will: Abdullah Kenan Karaca inszeniert am Volkstheater Eugene O'Neills "Der haarige Affe". Das Frauenbild, das er auf die Bühne bringt, ist nicht zu ertragen

Von Egbert Tholl

Niemand käme auf die Idee zu sagen, "Der haarige Affe" von Eugene O'Neill sei ein einfaches Stück. Man kann vermuten, hätte es nicht Willem Dafoe 1996 mit seiner Wooster Group wieder auf die Bühne gebracht, seine Existenz wäre pure Legende. In dem Sinne, da war mal was, 1922, ein kurzzeitig enormer Erfolg. Das Stück erklärt die Zeit, aus der es stammt, und ist aus dieser Zeit heraus zu begreifen. In seiner Parabelhaftigkeit, seiner Expressivität, seiner Hau-drauf-Psychologie. Gleichwohl ist die Grundidee bestechend: Auf einem Ozeandampfer langweilt sich die Tochter des Stahlmagnaten, dem auch das Schiff gehört. Sie steigt hinab in den Bauch des Schiffes, zu den Heizern, erschrickt vor den wilden Kerlen, vor Yank, dem "unflätigen Vieh". Das Vieh selbst wird durch diese Begegnung aus seinem Proletarierstolz gerissen. Yank sieht in Mildred Engel und Zumutung zugleich, rast an Land durch die Fifth Avenue, verliert immer mehr seine Identität, kollidiert mit seiner Sehnsucht nach Gewalt mit einer Gewerkschaftsorganisation, landet im Zoo und wird von einem Gorilla getötet.

Doch am Anfang ist noch alles schön in Ordnung im Kerker der Heizer. Vincent Mesnaritsch hat einen einigermaßen uninspirierten Kohlenkeller auf die Bühne des Volkstheaters gestellt; der hat einen goldenen Schacht nach oben und eine Schräge hinten, von deren Kante die Oberdeckpassagiere hereinlugen können. Da sitzen sie nun, Yank (Jonathan Müller), Paddy (Jakob Immervoll) und Long (Silas Breiding). Der eine ist stolz und fühlt sich wie Stahl, der andere träumt von Segelschiffen und frischer Luft, der dritte betätigt sich als Amateurkommunist. Dagegen ist, betrachtet man das Stück aus seiner Zeit heraus, wenig einzuwenden.

Aber: Abdullah Kenan Karaca will kein Zeitstück erzählen. Er will den großen Gesang. Und so ergehen sich die drei schmutzigen Kerle mit ihren schlechten Zähnen und den verbrannten Gesichtern in Suaden von unerträglichem Pathos. Kein Wort ist echt, alles tönt. Was die drei zu verhandeln haben, findet wie hinter zentimeterdickem Glas statt, unendlich weit entfernt, ausgestellt. Man könnte auch an einen nachträglich synchronisierten, expressionistischen Stummfilm denken.

Das wirkt alles extrem atavistisch. Geradezu reaktionär wird es allerdings mit dem Auftritt der Frauen, Mildred und deren Anstandsdame Katharine. Nina Steils gelingt es als Mildred immerhin, eine Spur von Restwürde zu bewahren. Aber ist denn diese Mildred wirklich nur ein gelangweiltes Mädchen aus der Oberschicht, das sich auf Elendstourismus begibt? Spielen da nicht noch tiefere Kräfte mit hinein? Egal, Nina Steils muss vollkommen eindimensional spielen. Schlimmer indes trifft es Luise Deborah Daberkow. Ihre Katharine kichert nur dumm, aufgekratzt, hirnlos. Und selbst wenn Daberkow eine Vertreterin der Gewerkschaftsrunde spielt, muss sie so blöd gackern.

Wir haben also unten Männer aus Stahl und Stolz und oben kichernde Gören. Da tun sich Abgründe auf, deren Dimensionen über das völlige Scheitern einer einzelnen Inszenierung weit hinaus gehen. Karaca ist Hausregisseur am Volkstheater. Wenn der auf der großen Bühne inszeniert, bestimmt das die Signatur des Hauses entscheidend mit. Da wäre es ein kleineres Problem, wenn er am Ende - der Gorilla tötet Yank im Dunkel, aber begleitet von einer pseudorealistischen Gurgelei - Handwerk vermissen lässt. Da ist es aber ein Riesenproblem, wenn er ohne Witz oder Ironie ein Frauenbild auf die Bühne bringt, das absolut nicht zu ertragen ist.

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