Süddeutsche Zeitung

Premiere:Ein Krimi mit Wahrheit

Das Theater Undsofort spielt in seiner schönen, neuen Bleibe

Von Egbert Tholl

Seit gut 20 Jahren gibt es das Theater Undsofort, es hat in dieser Zeit schon einige Theaterräume gesehen. Erst den zu Beginn wunderschönen in der Hans-Sachs-Straße, dann den Keller in der Kurfürstenstraße, dann folgten zwei Jahre Diaspora, in denen wundersamerweise das Stammpublikum nicht verloren ging, sondern munter Reisen zu fünf, sechs verschiedenen Spielstätten, die dem Theater jeweils eine temporäre Bleibe gaben, mitmachte. Mitunter wirkten die Unbill, der Heiko Dietz' Theater und die angegliederte Theaterschule unterworfen waren, völlig absurd. Ein aggressives Bio-Lokal, ein überfluteter Keller, Asbest - fast ein guter Stoff für eine Verschwörungstheorie.

Nun hat das Theater Undsofort eine neue Bleibe mit großer Zukunft. Die liegt zwar in einem Viertel, in das man offenbar nur zum Schlafen heimfährt, sie ist aber dennoch gut erreichbar: U-Bahnstation Partnachplatz, von dort viereinhalb Minuten zu Fuß. Und die Adresse klingt sehr hübsch: Hinterbärenbadstraße 2.

Vor der Eröffnung hatten die Anwohner noch ein bisschen Angst, was an der vorangegangenen Nutzung des freistehenden Pavillons lag. Ursprünglich war hier ein Drogeriemarkt drin, im letzten halben Jahr jedoch ein Döner-Lokal ohne die dafür erforderliche Lizenz, zu dem im Keller eine noch etwas weniger legitime Shisha-Bar gehörte, in der, dem Vernehmen nach, gelegentlich semierotische Nachtveranstaltungen stattfanden. Doch nach der Eröffnung waren die Sendlinger Bewohner erst einmal beruhigt, weil Theaterleute gar nicht laut sein müssen.

Nun sitzt man in den Plüschsesseln des alten Arri-Kinos, hat ungeheuer viel Platz und schaut sich die "Theorie einer Verschwörung" an. Heiko Dietz hat das Stück geschrieben und selbst inszeniert. Vor zwei Jahren stieß er im Internet auf eine Nachricht vom Fund mehrerer Leichen in einem verlassenen Pavillon auf dem Expo-Gelände in Hannover, die kurze Zeit später wieder verschwunden war. Also dachte er sich eine Geschichte dazu aus: Sieben Menschen und ein Wachmann sollen, abgeschirmt von der Außenwelt, für den Verfassungsschutz ein Projekt entwickeln, das nach den NSU-Morden die Behörde wieder in besseres Licht rücken und ihre Bedeutung hervorkehren soll. Erst etwas spröde, dann jedoch immer spannender entwirft Dietz ein Stück über Verschwörungstheorie mit den faktenhuberischen Mitteln der Verschwörungstheorie, bis man kaum mehr weiß, was ist Wahrheit, könnte Wahrheit sein, ist blühende Fantasie. Das Ende ist dann krass, ebenso wie die Lektüre des Programmheftes. Respekt! Läuft noch bis 7. Dezember.

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Quelle:
SZ vom 09.11.2019
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