Echo-Verleihung in Berlin:Wenn Zwillinge knutschen

Rückbesinnung auf die gute alte Zeit: Die "Echo"-Verleihung geriet zu einer Messe für Altstars wie Udo Lindenberg und Etablierte wie "Rammstein". Der verstorbenen Soul-Diven Whitney Houston und Amy Winehouse wurde gedacht - und ein deutscher Veteran hatte nach seinem Schlaganfall den ersten großen öffentlichen Auftritt.

Alle Gewinner im Überblick

Großer Bahnhof in Berlin: Am Donnerstagabend wurde im Palais am Funkturm zum 21. Mal der deutsche Musikpreis "Echo" verliehen und die Gala begann gleich mit einem kleinen Aufreger: "Es ist Viertel nach acht. Was erwarten die Zuschauer?", fragte Moderatorin Ina Müller. Und die hatten ganz bestimmt nicht mit dem gerechnet, was dann folgte: Müller beugte sich zu ihrer Ko-Moderatorin Barbara Schöneberger herüber und gab ihr einen langen Kuss. So kam es also daher, das neue Konzept für den Abend, das die Veranstalter angekündigt hatten: Bestens abgekupfert von den MTV Musiv Video Awards 2003, als Madonna, Britney Spears und Christina Aguilera vor laufender Kamera gebusselt hatten.

Auch vieles andere war nicht neu beim Echo 2012: Wie schon 2011 und davor, gaben sich Dutzende Stars und Sternchen im Schnelldurchlauf die Ehre. Bei strahlendem Sonnenschein sorgten Katy Perry, Marilyn Manson, Shaggy, Sido, Pietro Lombardi und etliche weitere Prominente schon bei ihrer Ankunkft für Kreischalarm am roten Teppich.

Neben den launischen - teilweise ans Peinliche grenzenden - Ankündigungen des Moderatorinnen-Duos, das sich selbst als "Ratiopharm-Zwillinge" bezeichnete, bot die Preisverleihung aber auch berührende Momente. BAP-Sänger Wolfgang Niedecken, der gerade erst von seinem Schlaganfall im November genesen ist, erhielt einen Echo für sein Lebenswerk. Überreicht wurde ihm der Preis von seinem alten Freund Wim Wenders, der ergreifende Worte zu Niedeckens gesundheitlicher Krise fand: "Junge, Junge, du hast uns einen ganz schönen Schreck eingejagt. Da haben viele erst gemerkt, was für einen Schatz wir an dir haben."

Emotional wurde es auch, als die verstorbenen Soul-Diven Whitney Houston und Amy Winehouse in die "Hall of Fame des Echo" aufgenommen wurden. Bilder von Auftritten Whitney Houstons wurden eingespielt, gleichzeitig flackerte eine große Kerze auf dem Bildschirm im Hintergrund. In Gedenken an Winehouse performte ein Quintett, bestehend aus Dionne Bromfield, der Patentochter der verstorbenen Sängerin, gemeinsam mit Ivy Quainoo, Ina Müller, Caro Emerald und Aura Dione den Winehouse-Hit Valerie.

Lange Reden gab es - wie immer - kaum: Anstatt allzu ausführlicher Lobeshymnen bekamen die Zuschauer stattdessen Musik satt geboten. Neben dem fulminanten Auftritt von Katy Perry und der betont coolen Performance Lana Del Reys traten "Unser Mann für Baku", Roman Lob, und die Toten Hosen auf. Die Veranstalter setzten daneben vor allem auf musikalische Ko-Produktionen: BAP sangen mit Clueso und Thomas D., Kraftklub wurden von Rapper Casper unterstützt und Rammstein rockten mit Marilyn Manson, der die Deutschen auf der Bühne als eine seiner Lieblingsband feierte.

"Ich brauche jetzt einen Campino"

Für ihn sei der Echo wie ein Klassentreffen, sagte der Sänger der Toten Hosen, Campino. Und am Ende warte "ein Riesenberg Getränke", fügte er mit Blick auf die Aftershowparty vergnügt hinzu. Da passt es gut, dass der Sänger/Songwriter/Schauspieler zuvor von Ina Müller mit den Worten: "Ich brauche jetzt einen Campino" angekündigt worden war.

"Gut am Glas"

Neben seinem musikalischen Auftritt hielt der Tote-Hosen-Frontmann eine lange Laudatio auf seinen Freund Wolfgang Niedecken, und auch in dieser spielte der Alkohol eine Rolle. Geistige Getränke hätten ihnen geholfen, vor 26 Jahren die Gräben zwischen einem Kölner und einem Düsseldorfer zu überwinden und eine Freundschaft zu besiegeln: "Wir waren erstaunt, dass die Kölner doch recht gut am Glas waren und sich erst nach langem Ringen am Morgen geschlagen gaben."

Echo 2012

Neues Konzept bei der Echo-Verleihung: Die Moderatorinnen Ina Müller (links) und Barbara Schöneberger küssen sich zu Beginn der Show erst einmal heiß und innig.

(Foto: dapd)

Weniger abgeklärt gaben sich die Newcomer, die in diesem Jahr erstmals beim Echo auftraten. "Ich bin sehr nervös", sagte Roman Lob. Für ihn sei der Live-Auftritt ein guter Test für Baku. Auch Sänger Tim Bendzko fieberte der Show entgegen. Als er die Auszeichnung als bester Newcomer aus den Händen von "the wonderful Lena" entgegennahm, zeigte er sich gerührt: "Ich bin unglaublich glücklich, das machen zu dürfen". Bei seinem Schmusesong Nur noch kurz die Welt retten wurde er unterstützt vom jamaikanischen Sänger Shaggy.

Rosenstolz nehmen Preis nicht persönlich entgegen

"Einer geht noch! Vielleicht!", machte sich währenddessen Rapper Casper per Twitter selbst Mut. Er war für vier Echos nominiert, hatte bis dahin aber schon in drei Kategorien das Nachsehen. Als erfolgreichster Hip-Hop-Künstler nahm er dann doch noch einen Preis mit nach Hause.

Die erste Trophäe des Abends hatte die Band Jupiter Jones entgegengenommen. Sie wurde mit dem Radio-Echo ausgezeichnet.

Großer Mann des Abends war Alt-Rocker Udo Lindenberg, der den Nachwuchs abhängte und gleich in zwei Kategorien gewann. Er wurde als erfolgreichster nationaler Künstler Rock/Pop und für die beste DVD-Produktion ausgezeichnet. "Es ist einfach gigantisch, yeah", rief der 65-Jährige. Danach musste sich Lindenberg beeilen, weil er mit seinem Panikorchester in Berlin auch noch ein Konzert seiner "Ich mach' mein Ding-Tour" geben wollte. Immerhin war Lindenberg erschienen - das in der Kategorie Rock/Pop-Gruppe ausgezeichnete Duo Rosenstolz war erst gar nicht zur Preisverleihung gekommen.

Ungewöhnliche Dankesworte

Moderatorin Müller nahm ebenfalls zwei Echos entgegen. Sie wurde zur erfolgreichsten deutschen Künstlerin Rock/Pop gekürt, zudem wurde ihre Show Inas Nacht ausgezeichnet. Ihre Dankesworte fanden einen ungewöhnlichen Adressaten: "Ich widme diesen Echo meinen Ex-Freunden und all meinen flüchtigen und flüssigen Bekanntschaften, denn ohne euch Jungs, hätte ich diesen Echo nie gewonnen", rief sie ihren Verflossenen zu.

Auch Rammstein gewannen zwei Preise. Sie waren in den Kategorien Alternativrock und "Erfolgreichster nationaler Act im Ausland" erfolgreich.

Der Abend fand mit der Auszeichnung Wolfgang Niedekens für sein Lebenswerk einen würdigen Abschluss. Das Publikum erhob sich, als der Kölner auf die Bühne trat und dort positive Aspekte seines Schlaganfalls vom November beschrieb: Viele Kollegen und Bekannte hätten sich gemeldet, alte Freundschaften seien wieder aufgelebt. Daraus habe er neue Energie geschöpft. Er wolle es künftig entspannter angehen, kündigte Niedecken an. Er werde "alles das nicht mehr tun, worauf ich keinen Bock habe". Die gute Nachricht für seine Fans: Auf die Musik waren diese Worte nicht gemünzt. Sein Dank galt schließlich seiner "kleinen mittelständischen Rock-'n'-Roll-Kapelle" mit der er weiter Musik machen werde. Dann öffnete sich die Wand hinter ihm und Niedeckens Kumpane von BAP kamen zum Vorschein. Die Kölschrockband sorgte für den gemütvollen musikalischen Abschluss des Abends.

Alle Preisträger im Überblick

[] Album des Jahres: Adele ("21")

[] Künstler Rock/Pop National: Udo Lindenberg

[] Künstler Rock/Pop International: Bruno Mars

[] Künstlerin Rock/Pop National: Ina Müller

[] Künstlerin Rock/Pop International: Adele

[] Gruppe Rock/Pop National: Rosenstolz

[] Gruppe Rock/Pop International: Coldplay

[] Deutschsprachiger Schlager: Helene Fischer

[] Volkstümliche Musik: Andreas Gabalier

[] Hip-Hop / Urban National / International: Casper

[] Club / Dance National / International: David Guetta

[] Rock / Alternative National: Rammstein

[] Rock / Alternative International: Red Hot Chili Peppers

[] Crossover National / International: Michael Bublé

[] Newcomer National: Tim Bendzko

[] Newcomer International: Caro Emerald

[] Hit des Jahres: Gotye ft. Kimbra: "Somebody That I Used To Know"

[] Bestes Video National: 23: "So mache ich es"

[] Radio Echo: Jupiter Jones

[] Produzent / Produzentin National: Andreas Herbig, Henrik Menzel, Peter "Jem" Seifert für Udo Lindenberg und Andreas Bourani

[] Kritikerpreis National; Modeselektor: "Monkeytown"

[] Erfolgreichster nationaler Act im Ausland: Rammstein

[] Erfolgreichste Musik-DVD-Produktion National: Udo Lindenberg: "MTV Unplugged - Live aus dem Hotel Atlantic"

[] Erfolgreichster Live-Act National: Herbert Grönemeyer

[] Medienpartner des Jahres: Redaktion der NDR-Sendung "Inas Nacht"

[] Handelspartner des Jahres: Fachhandelskooperation AMM Aktiv Musik Marketing GmbH & Co. KG (für ihre Aktion "Plattenladenwoche")

[] Würdigung des Lebenswerkes: Wolfgang Niedecken

[] Ehren-Echo soziales Engagement: Unheilig

[] Hall of Fame: Whitney Houston, Amy Winehouse

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