Porzellanikon:Von der Knef bis James Bond

Zwei Ausstellungen beleuchten die Kulturgeschichte der Keramik

Von Sabine Reithmaier

Aschenbecher spielen keine Rolle mehr, auch Suppenschüsseln tauchen nicht mehr auf. Selten ist die Veränderung von Lebenswelten so genau zu beobachten wie in der Ausstellung "Stille Stars", die der Rolle von Tellern und Tassen in Film und Werbung nachspürt. An die 100 Filmausschnitte, dazu Reklameplakate und Werbefotografie lassen wie im Zeitraffer 80 Jahre Zeit- und Kulturgeschichte vorbeiziehen.

Normalerweise sinniert man nicht viel darüber nach, welch subtile Botschaften die Requisiten aus Keramik vermitteln. Doch in der klug gesteuerten Inszenierung, die auf den 600 Quadratmetern im Selber Porzellanikon ohne jede Vitrine auskommt, bleibt einem nichts anders übrig, als auf die stummen Nebendarsteller zu achten. Oft helfen die Requisiten, einen Charakter eindeutig identifizierbar zu machen. "Jack the Bulldog" etwa, jener Porzellanhund, der in James-Bond-Filmen auf dem Schreibtisch von "M" wacht, genauso grimmig entschlossen und England verbunden wie die Chefin des Geheimdienstes. Und wenn Hildegard Knef als KZ-Überlebende in Wolfgang Staudtes "Die Mörder sind unter uns" (1946) eine Scheibe Brot auf einem weißen Porzellanteller zerbröselt, macht das bunt zusammengewürfelte, angeschlagene Geschirr auf dem Tisch ganz nebenbei klar, dass die Rückkehr in eine heilere Welt noch nicht geglückt ist. Spießer Heinrich Lohse präsentiert sich im Loriot-Klassiker "Pappa ante Portas" mit einem gediegenen Indisch-Blau-Service, während sich Stromberg mit seiner "Capitol"-Werbetasse - Aufschrift: "Sorgenfrei" - durch den Büroalltag schleppt.

Fast noch amüsanter ist es, in die Werbung der Fünfziger- und Sechzigerjahre zurückzukehren. Zu dem weiß gekleideten Professor, der, umgeben von Mikroskop, Tinkturen, Tablettendöschen und einem Aschenbecher, eine junge Frau anlächelt: "O ja. Schwester, jetzt eine Tasse Kaffee!" Oder zu Frau Renate, die eine dank Backpulver perfekt gelungene Torte serviert - "Kuchen macht Männer sanft" - natürlich auf edlem Porzellan.

Logisch, dass die aktuelle Werbung auf den Transport dieser doch etwas überholten Verhaltensmuster verzichtet, heute beherrschen andere Klischees die Bilder. Während man durch einen langen Tunnel schlendert, gebildet aus Hunderten Zeitschriften-Titelseiten, merkt man erst, wie häufig Livestyle-Magazine Porzellan einsetzen, um lebenswerte Welten zu suggerieren. Die Kuratorinnen Désirée Neeb und Jana Göbel haben vieles zusammengetragen. Zwei Jahre brauchten sie, um die Rechte für die 100 Filmausschnitte einzuholen. An die 1000 Filme werde sie wohl gesehen haben, mutmaßt Neeb, ihr Blick auf die keramischen Nebendarsteller hat sich dabei geschärft. Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden, gibt es für die Besucher genug.

Ruhiger und sachlicher, aber ebenfalls ausgezeichnet inszeniert präsentiert sich die "Reine Formsache" in Hohenberg an der Eger, dem zweiten Standort des Porzellanikons. Die Schau in der Villa ist ein Beitrag zum Bauhaus-Jubiläum und zeichnet die 100-jährige Geschichte der Burg Giebichenstein nach, bis heute Kunsthochschule in Halle. Eine ausführliche "Chronik" erschließt gleich am Anfang der Ausstellung den Zusammenhang zum Bauhaus. Als dieses 1925 von Weimar nach Dessau umzog, beschloss man, auf die altmodische Keramikwerkstatt zu verzichten. Walter Gropius hatte vorgegeben, die Ausbildung in Richtung industrieller Serienanfertigung zu forcieren. Zwei der Bauhauslehrer, Marguerite Friedlaender und Gerhard Marcks, beschlossen daraufhin, an die Kunstgewerbeschule in Halle zu gehen.

Kuratorin Claudia Zachow, selbst in Halle ausgebildet, blättert in der Ausstellung anhand von 20 Lehrenden und Absolventen der Schule deren Geschichte auf, von den Anfängen bis zur Gegenwart. Dank der guten Kontakte zur Königlichen Porzellanmanufaktur (KPM) in Berlin entwickelten Marcks und Friedlaender Geschirre, die die KPM bis heute herstellt. Die "reine Form" blieb als Haltung und Botschaft der Burg immer präsent. Auch die "Industrieform-Gestalter" der DDR wie Hans Merz, Ilse Decho oder Hubert Petras wichen davon nicht ab. Und sie prägt auch die Handschrift der zeitgenössischen Designerinnen wie etwa Barbara Schmidt, deren multifunktionales Geschirr "Update" ideal für Porzellaneinsteiger unserer Zeit ist. Das Basis-Set hat nur acht Teile: Teller, Schalen, Kaffeebecher und eine runde Backform, um etwas im Ofen warm zu machen. Treffender kann man die Veränderung unserer Ess- und Lebensgewohnheiten gar nicht reflektieren.

Stille Stars. Keramik in Film und Werbung, bis zum 26. Januar, Porzellanikon Selb; Reine Formsache. Vom Bauhaus-Impuls zum Designlabor an der Burg Giebichenstein, bis zum 6. Oktober, Porzellanikon Hohenberg an der Eger

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: