Portrait: Oliver Polak:Zeit für das "Judenspiel"

"Ich vergesse die Sache mit dem Holocaust - und Sie verzeihen uns Michel Friedman." Der jüdische Stand-up-Comedian Oliver Polak macht Witze über den Holocaust. Der darf das.

R. Deininger

Es gibt mindestens zwei Arten von Lachen. Das Hahaha, das ist harmlos. Man lacht aus sich heraus, über Heinz Erhardt vielleicht: "Das Reh springt hoch, das Reh springt weit - warum auch nicht, es hat ja Zeit." So was. Und dann ist da das Hohoho, das ist verfänglicher. Viel seltener ist es natürlich auch. Man lacht dabei in sich hinein, weil man sich heraus zu lachen nicht traut. Oliver Polak ist ein Mann für das Hohoho-Lachen.

Portrait: Oliver Polak: Komiker Oliver Polak klopft das Jüdische auf Pointen ab.

Komiker Oliver Polak klopft das Jüdische auf Pointen ab.

(Foto: Foto: ddp)

Die Scheinbar in Berlin-Schöneberg ist eine winzige Bühne und Polaks zweites Wohnzimmer. An die 200-mal hat er hier schon gespielt, aber es sind immer ein paar Zuschauer da, die nicht wissen, was sie erwartet. Als Polak auftritt, in Jogginghose und Kapuzenpulli, sagt er, er sei der Oliver. Jude. Und dann sagt er, ansatzlos, dass die Lokführergewerkschaft aus seiner Sicht mal besser vor 65, 70 Jahren gestreikt hätte. Eine Sekunde Stille. Hohoho, lacht das Publikum. Es ist ein sehr tiefes Lachen, bei manchen mehr ein schweres Husten. Merke: Die Tiefe des Lachens wächst mit der politischen Inkorrektheit der Pointe.

Oliver Polak ist 32 Jahre alt, er hat den "Disney-Club" moderiert und eine Sendung bei Viva, war Darsteller in einer Sat-1-Comedy-Serie und Showpraktikant bei Stefan Raab. Seinem Handwerk nach ist Oliver Polak Komiker. Aber wen interessiert hier schon das Handwerk? Er wolle eine Vereinbarung mit ihnen schließen, eröffnet er den Zuschauern: "Ich vergesse die Sache mit dem Holocaust - und Sie verzeihen uns Michel Friedman."

Als Polak vor drei Jahren angefangen hat mit Stand-up, hat er sich gefragt, wer er sein will auf der Bühne: "Noch so ein Kölscher Comedy-Typ?" Nach einer Weile erkannte er, dass er sich die falsche Frage stellte. Die Richtige musste lauten: "Wer bin ich?" Ein Freund gab ihm die Antwort: "Du bist Oliver Polak, du bist aus Papenburg im Emsland, und du bist Jude." Der Freund sagte: Das müsse doch eigentlich reichen.

Wenn Oliver Polak nichts wäre außer aus Papenburg im Emsland, dann würde ihm als Komiker etwas fehlen: Er wäre nur ein weiterer Mitdreißiger, der sich launig an Kindheit und Jugend erinnert, an Playmobil, "Patrik Pacard" und Provinzdiskos. Aber Polak erinnert sich an mehr: daran, wie es ist, in einer Stadt aufzuwachsen, in der er es vor dem Krieg zwanzig jüdische Familien gab und nachher nur eine, die Polaks; an ältere Verwandte, die tätowierte Nummern auf den Unterarmen trugen; an Kindergärtnerinnen, die dem kleinen Oliver bei Gewitter den Unterstand in einem Buchenwald nicht zumuten wollten: Eichen sollst du suchen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich Polak nicht um politische Korrektheit kümmert.

Zeit für das "Judenspiel"

Polak nimmt gern seine nichtjüdischen Mitbürger aufs Korn, amüsiert sich über ihre Verkrampfung und kritisiert ihre Ressentiments. Einerseits. Andererseits schont er auch die Juden nicht. Wenn er mal schlecht gelaunt sei, erzählt er dem Publikum, lese er einfach die Pressemitteilungen des Zentralrats der Juden: "Dann geht es mir gleich besser, weil ich sehe, dass ich im Vergleich doch gar nicht so mies drauf bin." Man dürfe ihn nicht falsch verstehen, erklärt er nach dem Auftritt: "Ich finde es wichtig, dass es den Zentralrat gibt. Aber man muss nicht immer gleich mit der großen moralischen Walze losfahren."

Es gibt in Deutschland viele Komiker, die sich über ihre Herkunft definieren, die im Steinbruch des Rheinischen, Niederbayerischen oder Türkischen ihren Witz meißeln. Aber Polak ist wohl der erste Vertreter der Quatsch-Comedy-Club-Generation, der das Jüdische auf Pointen abklopft. "Ich spreche einfach über mich", sagt der Wahlberliner, keinesfalls wolle er eine "gezielte oder endgültige politische Auseinandersetzung mit dem jüdischen Leben hier" betreiben. Aber: "Natürlich kokettiere ich mit den Tabus." Um politische Korrektheit schert er sich im Allgemeinen nicht, und auf den Holocaust oder den heutigen Antisemitismus als Thema will er im Besonderen nicht verzichten, weil das jüdische Leben der Gegenwart sonst unvollständig dargestellt wäre.

Weder jüdisch noch nichtjüdisch

Es gibt ja eine Art Grundgesetz im Satiregeschäft, das besagt: Verspottet werden darf stets und von allen die Mehrheit; Minderheiten dagegen nur von den eigenen Mitgliedern. Oliver Polak hat gerade ein Buch veröffentlicht, auf dem Umschlag ist ein Schäferhund mit Davidsstern und Nazi-Uniform-Mütze zu sehen. Der Titel lautet: "Ich darf das, ich bin Jude." Es sind also zwei Dinge, die er darf und versucht: den Holocaust zum Objekt der Komik zu machen und gleichzeitig einladen zum Lachen über die Juden, wie man sonst über Rheinländer oder Niederbayern lacht. Zweiteres hat in Deutschland auf unverkrampfte Weise in jüngerer Vergangenheit höchstens Dani Levys Film "Alles auf Zucker" geschafft. Polak sagt, er habe sich mit möglichen Vorbildern und grundsätzlich mit den großen Traditionen jüdischen Humors nicht beschäftigt. Warum auch? "Ich habe meinen speziellen Humor, der ist weder jüdisch noch nichtjüdisch."

Politisches Kabarett wolle er nicht machen, "ein paar Denkanstöße kann man aber auch in der Comedy geben". Dabei wolle er "kein Provokateur" sein, niemanden manipulieren oder bloßstellen. "Ich will die Menschen nur zum Lachen bringen und ein klein wenig berühren", dazu "muss man doch mal über die Mauer vor einem hinwegschauen" und "einen Schritt weiter gehen als andere".

Manchmal spielt Polak im Zuge des Knöpfedrückens mit seinem Publikum das "Judenspiel". Er wirft einen Namen in den Raum, Alfred Biolek zum Beispiel, und fragt: "Ist der Jude? Oder normal?" Ganz leise sagen dann ein, zwei Leute: "Jude." Ein Dritter sagt: "Normal." Und ein paar mehr sagen: hohoho. Beim fünften Namen, Iris Berben vielleicht, schreit schon der halbe Saal mit Inbrunst: "Jude! Jude!" Oder: "Normal!" Am Ende fragt Oliver Polak: "Oliver Polak?" Den Leuten scheint das Spiel inzwischen zu gefallen. "Jude", brüllt das ganze Auditorium. Und Polak sagt: "Nein, nein, ich bin normal, ich mache das nur wegen des Geldes." Hahaha, lacht das Publikum.

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