Porträt: Karoline Herfurth:Schlaue Elfe

Ein Kondom über dem Kopf aufblasen, bis es platzt: Schauspielerin Karoline Herfurth hat viele Talente. Jetzt studiert sie - um einfach mal in der Masse unterzugehen.

Antje Wewer

Strickjacke, Hornbrille, Pferdeschwanz. Karoline Herfurth sitzt im Coffeeshop und sieht dabei so aus, wie eine Kostümbildnerin eine Politik-Studentin ausstatten würde, die im Coffeeshop sitzt.

Porträt: Karoline Herfurth: In "Im Winter ein Jahr" spielt Karoline Herfurth eine traumatisierte Tochter aus gutem Hause.

In "Im Winter ein Jahr" spielt Karoline Herfurth eine traumatisierte Tochter aus gutem Hause.

(Foto: Foto: dpa)

Herfurth, die als rotgelocktes Mirabellenmädchen in "Das Parfüm" bekannt wurde, spielt aber gerade keine Filmrolle. Sie ist tatsächlich an der Humboldt-Uni in Berlin eingeschrieben, in ihrem Ausweis steht: Erstes Semester, Studienfächer Soziologie, Politik und Sozialwissenschaften. Gerade ist Einführungswoche.

"Anfangs haben alle ein bisschen geguckt, so von wegen, irgendwoher kenne ich die doch und was macht die denn hier?" Eine berechtigte Frage. Warum fängt eine etablierte Schauspielerin, die letzten Sommer ihr Studium an der "Ernst Busch Schule" abgeschlossen hat und fast nur noch Hauptrollen spielt, ein Studium an? Ganz simpel: Sie spürt, dass die Bestätigung von außen so trittsicher ist wie ein zugefrorener See Anfang April. "Ich will was Bodenständiges lernen, Zusammenhänge kapieren. Und ich brauche einen Ausgleich zu meinem Job als Schauspielerin."

An der Universität sucht Herfurth auch das, wovor die gleichaltrigen Kandidatinnen aus "Deutschland sucht den Superstar" flüchten: Normalität. Eine von vielen sein. In der Masse untergehen. Vielleicht, weil sie das eben genau nie tat.

Gleich zweimal wurde sie auf dem Schulhof ihrer Waldorfschule von Casting-Agenten angesprochen. Mit 11 Jahren für einen Kinderfilm und mit 14 Jahren für die Verfilmung des Benjamin-Lebert-Romans "Crazy". Das war vor zehn Jahren,

Herfurth ist 24 Jahre alt, hat in diesem Jahr in der internationalen Produktion "Der Vorleser" neben Kate Winslet und Ralph Fiennes gespielt, im TV-Event "Das Wunder von Berlin" hatte sie eine Hauptrolle. Und jetzt ist sie, neben Josef Bierbichler, in dem Familiendrama "Im Winter ein Jahr" im Kino zu sehen.

Unter ständiger Beobachtung

Es klingt immer etwas verzogen, wenn Schauspieler behaupten, dass ihnen der ganze Rummel um ihre Person zuviel ist. Auch Herfurth tut das, mit einem Chai Tee in der Hand: "Ich finde es ziemlich anstrengend, immer im Mittelpunkt zu stehen." Dabei blickt sie so ernst und unkokett, wie man das kann, wenn man ein zartes Gesicht voller lustiger Sommersprossen hat und an eine Elfe erinnert, was auch an den weit auseinander stehenden Augen, der Größe von 1 Meter 64 und ihren stets nach außen gerichteten Fußspitzen (Ballett! Kinderzirkus! Modern Dance!) liegt.

Posieren auf dem roten Teppich, Angestarrtwerden beim Einkaufen auf dem Kurfürstendamm und das ewige Kreisen um sich selbst - "alles wahnsinnig anstrengend", schon klar.

Allerdings: So wie Herfurth es dann ausführt, klingt es tatsächlich recht beklemmend: "Sobald ich mit dem Drehen anfange, stehe ich ständig unter Beobachtung. Ich bin fremdbestimmt, meine Tage werden von anderen verplant. Meine Haare gehören mir seit Jahren nicht mehr. Alle sind in Sorge, dass du krank wirst, aber nicht, weil sie dich alle so lieb haben, sondern weil ein verschobener Drehtag einen irren Geld- und Zeitverlust bedeutet. "

Herfurth ist eine, die weder angeben noch sich beklagen will: Sie will erklären. Jetzt muss sie erstmal los, zum Bahnhof, in Köln stehen die letzten Drehtage für das Drama "Berlin 36" an, in dem Herfurth die jüdische Hochspringerin Gretel Bergmann spielt, die 1936 an den olympischen Spielen teilnahm.

Als sie ihre schwarze Tasche schultert, blitzt ein goldenes Chanel-Logo auf. "Ein Geschenk", sagt Karoline, "ich würde niemals so viel Geld für eine Handtasche ausgeben." Vernünftig. Gerade als man anfängt, sie ein bisschen überkorrekt zu finden, steckt sie sich auf der Straße eine Zigarette an.

Lesen Sie auf Seite 2, warum Karoline Herfurth ihre "Little Kelly Family" irgendwann peinlich war.

Schlaue Elfe

In der Komödie "Mädchen, Mädchen" spielte Herfurth 2001 einen von drei Teenagern, die auf der Jagd nach ihrem ersten Orgasmus sind. Während ihre Freundinnen im Elternschlafzimmer Petting machen, zieht sich Herfurth ein Kondom über den Kopf und bläst es auf, bis es platzt. Sie macht das mit derselben engagierten Ernsthaftigkeit, mit der andere Pfandflaschen wegbringen.

Fragt man Caroline Link, die Regisseurin von "Im Winter ein Jahr", nach ihrer Hauptdarstellerin, kommt sie schnell auf deren Tiefe zu sprechen, und die große Disziplin, mit der sich Herfurth auf ihre Rolle vorbereitet hat. Beeindruckt hat sie auch, dass Herfurth beim ersten Treffen ziemlich unbeeindruckt vom großen Schauspielstar Josef Bierbichler blieb: "Sie hat so was Unbestechliches, sie bleibt bei sich, das ist ungewöhnlich für ihr Alter."

Bierbichler spielt den Maler Max Hollander, sie Lilli, eine Tochter aus gutem Hause, die ihm, noch vom Selbstmord ihres Bruders traumatisiert, Portrait stehen soll. "Die Dreharbeiten waren sehr intensiv für mich. Die Figur der Lilli hat mich total in Beschlag genommen, mir fiel es schwer, eine Grenze zu ziehen, und nachts habe ich geträumt, dass nicht Lillis, sondern mein Bruder stirbt." Übrigens besteht Herfurth neben Bierbichler auf der Leinwand, locker.

Herfurth wurde in Ost-Berlin geboren, als die Mauer fiel, war sie fünf. Die Eltern, ein Altenpfleger und eine Psychiaterin, ließen sich früh scheiden. Aufgewachsen ist sie in diversen Berliner Stadtteilen, hat zu gleichen Teilen bei Mutter und Bruder, dann wieder bei ihrem Vater und seiner neuen Familie gewohnt. "Ich empfinde das bis heute nicht als Nachteil, sondern als Luxus, weil ich dadurch zwei Varianten vom Leben kenne."

Die Frau spricht schnell und ohne zu zögern, sie weiß ganz genau, was sie erzählen will und was nicht - vor allem, wenn es um ihre Familie und ihre Freundinnen geht, die nichts mit dem Filmgeschäft zu tun haben. Aber wenn Herfurth über ihre Eltern und ihre kleinen Geschwister spricht, bekommt ihre sonst leicht metallisch klingende Stimme plötzlich einen weichen Klang.

"Früher haben wir Kinder mit meinem Vater Straßenmusik gemacht. Mein kleiner Bruder an der Geige, der Größere hat Cello gespielt, mein Vater Gitarre und ich Blockflöte. In Italien wurden wir die "Little Kelly Family" genannt. In Deutschland wollte ich das aber nicht machen, da hat das Ganze so einen Bettelstatus. Und mit 12 Jahren wurde mir das Ganze sowieso peinlich und ich habe aufgehört." Auch das klingt in Herfurths Schilderung nicht drollig, sondern vielmehr - plausibel.

Erwachsener als die eigene Mutter

Die Zielstrebigen wie Karoline Herfurth, die weder Zeit noch Nerven für Nächte in Clubs ("finde ich langweilig") oder Drogen haben ("einmal kiffen hat mir gereicht"), gibt es in jeder Schauspiel-Generation. Aber sind es nicht gerade die Erfolgreichen, Anna Maria Mühe oder Hannah Herzsprung, die ebenfalls erwachsener wirken als ihre eigenen Mütter? Woran liegt das? Vielleicht, weil viele von ihnen so früh Erfolg hatten, Professionalität gelernt haben wie andere in dem Alter Klavier- oder Tennis spielen.

Als wir uns das nächste Mal sehen, trägt Herfurth braune Reiterhosen, Stiefel und Daunenweste. Wir fahren zu ihrem Pflegepferd, das am Stadtrand von Berlin auf einem kleinen, schmucken Hof steht und Auslauf braucht. Wogenstern heißt er, ein alter, dunkelbrauner Hannoveraner, der Rückenprobleme hat und heute nur voltigiert wird. Herfurth steht wie eine Zirkusdirektorin mit durchgedrücktem Rücken in der Mitte des Platzes und führt das Pferd an der Longe.

Seit einem knappen Jahr kommt sie einmal die Woche raus, nimmt Reitunterricht und hat ein beeindruckendes Detailwissen angehäuft. Wie? "Aus Büchern." Ihr geht es nicht um einen vergnügten Austritt, nein, Herfurth will verstehen, wie ihr Pferd tickt.

Nach einer guten Stunde sind ihre Wangen gerötet, sie lacht und wirkt nicht mehr überlegt, sondern wie ein Mädchen vom Ponyhof. Während sie ihr Pferd putzt, erzählt sie, dass erst mal kein Dreh wartet, dass sie das Semester an der Uni jetzt durchziehen will. Und dass sie vorhat, sich im nächsten Jahr bei einer Schauspielagentur in New York vorzustellen. Amerika, Baby? "Was soll ich mir da jetzt einen Kopf drüber machen, wenn es noch kein konkretes Angebot gibt? Die wollen mich einfach nur kennenlernen." Schlaues Mädchen.

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