Süddeutsche Zeitung

Porträt: Jeanette Biedermann:Die schon bieder

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Abgebrochene Friseurlehre, Bild-Schlagerkönigin und Möchtegern-Rockstar: Bisher las sich Jeanette Biedermanns Karriere wie ein schlechtes Drehbuch. Das ändert sich gerade - vielleicht.

R. Schneeberger

Wenn jemand so ungestüm das Licht der Öffentlichkeit sucht und dabei noch biederer wirkt als der Name vermuten lässt, dann ist es bis zur eigenen Sendung im deutschen Fernsehen nur eine Frage der Zeit.

Die naturblonde Sängerin und Schauspielerin Jeanette Biedermann ließ sich zu ihren Anfängen nicht so recht einordnen: Zu bodenständig, um als Soap-Star sofort wieder zu verglühen, zu brav, um der Rockstar zu sein, der sie selbst gerne sein würde, und wiederum zu sattelfest, um von der Boulevardpresse mit Haut und Haar verschlungen zu werden.

Eigentlich - um kompakt die Vorbehalte ihr gegenüber zu formulieren - hat die 159 Zentimeter große Sängerin, die schon als Sechsjährige im Kinderzirkus Lilliput aufgetreten ist und eine Friseurlehre bei Promi-Coiffeur Udo Walz abgebrochen hat, seit ihrem kometenhaften Aufstieg von der Bild-Schlagerkönigin (1998) zur Eurovision-Song-Contest-Bewerberin ("Das tut unheimlich weh") über ihre Rolle bei GZSZ (1999 bis 2004) bis zu ihrem "Rock-Pop"-Album "Rock My Life" oder ihrem Duett mit Ronan Keating (2002) und ihren Jury-Auftritten in diversen Castingshows mit ihrer spießbürgerlich anmutenden offensiven Mädchen-von-nebenan-spielt-Star-Pose immer nur genervt.

Jetzt auch noch die Hauptrolle in einer weiteren unnützen Vorabend-Serie, mochte man unken, als vor genau einem Jahr "Anna und die Liebe" an den Start ging. Der Plot: Anna (gespielt von Biedermann) ergattert sich trotz unbändiger Schüchternheit immer höhere Posten in einer Werbeagentur, verliebt sich in den Junior-Chef, der immer einen weißen Anzug trägt, und hat diesbezüglich selbstredend keine Chance gegen ihre so mondäne wie unlautere Schwester, die zwar im Job nichts drauf hat, dafür aber umso besser Menschen um den Finger wickeln kann. Das ist eigentlich schon alles.

Bemerkenswert ist aber eines: Den Machern der Serie ist es gelungen, der Hauptdarstellerin eine Rolle auf den Leib zu schreiben, die ihrer Natur offenbar so widerspricht, dass es Spaß macht, ihr dabei zuzuschauen, in welchem Maße ihr das gelingt. Mit dem Selbstbewusstsein einer Spiral-Nudel ausgestattet, ist Anna das Gegenteil von dem, wie Jeanette Biedermann sonst vor die Kamera tritt. Sie ist dann immer selbstbewusst, laut, kommunikativ.

Der 180-Grad-Wechsel ist mal mehr, mal weniger gelungen. Biedermann verliert Folge für Folge ein Stück ihres alten Images, um zu einer ernster zu nehmenden Darstellerin zu werden. So wirkte es zuletzt schon gar nicht mehr komisch, sie in tragender Rolle in einem "Tatort" zu sehen. Biedermann ist damit im seriöseren deutschen Fernsehen angekommen. Der Aufstieg von der Soap-Darstellerin zur Filmschauspielerin ist vollbracht - und das ausgerechnet über eine Telenovela.

In die Zukunft blickt die 28-Jährige gelassen: "Ich habe eine buddhistische Einstellung", sagte sie in einem Interview. "Ich sehe mein Leben, als schwimme ich auf einem langen Bach und überlege, wo ich spontan an Land gehe, und wen ich auf meinem Floss mitnehme." Hoffentlich kann Buddha schwimmen.

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