Süddeutsche Zeitung

Popmusik:Sexmonster gegen beste Freundin

Lesezeit: 3 min

Miley Cyrus und Taylor Swift kämpfen mit sehr unterschiedlichen Waffen. Wer gewinnt das Duell um den Titel "Wichtigster Popstar der Gegenwart"?

Von Kathleen Hildebrand

Taylor Swift hat Kim Kardashian diese Woche in der Zahl ihrer Instagram-Follower überholt. Da das die moderne Währung für Aufmerksamkeit ist, lässt sich nun also mit Fug und Recht behaupten, dass Taylor Swift der größte Popstar des Planeten ist. "Sie ist die Musikindustrie", stand vergangenes Jahr auf dem Titelblatt des Magazins Bloomberg Businessweek. Denn tatsächlich verkauft sie noch richtig viele Platten in einer Zeit, in der eigentlich niemand mehr Platten kauft. Was ihr wiederum die Macht verleiht, sogar den Megakonzern Apple zu beeinflussen: Wenn Taylor Swift sagt, dass dessen neuer Streamingdienst Musikern gefälligst Geld zahlen soll für ihre Musik, dann macht Apple das.

Trotzdem gab es kürzlich den ersten Zweifel an der Beständigkeit von Swifts Herrschaft über den Pop. Erst war da ein Twitter-Streit mit der schwarzen Musikerin Nicki Minaj, dann erschien Swifts neues Musikvideo und wurde für seine unreflektierte Übernahme kolonialer Klischees schwer gerügt. Jenseits der wirklich überraschenden Gedankenlosigkeit des Videos zeigte sich an diesem Vorfall die Schwäche von Taylor Swifts Strategie: Sie inszeniert sich, trotz glamourös roter Lippen und Altes-Hollywood-Föhnfrisur, als echt - und wird deshalb ein bisschen zu ernst genommen.

Taylors beste Freundinnen: alles Supermodels

Auf Instagram und Twitter ist Taylor Swift die nette junge Frau - vielleicht nicht von nebenan, sondern aus dem etwas besseren Teil der Stadt, die beste Freundin ihrer Fans. Zu Konzerten lässt sie gern eine Armada ihrer BFFs aufmarschieren. Das ist ihre Marketingstrategie, verkleidet als ihre Version von Feminismus: das Freundinsein.

Doch gerade jetzt, auf dem Zenit ihres Erfolgs, droht diese Inszenierung zu bröckeln. Die Taylor-Swift-Gang zum Beispiel, in die immer neue tolle, schöne, erfolgreiche Frauen aufgenommen werden, besteht eben nicht aus Fans. Nicht aus vielleicht pummeligen Teenagermädchen mit ein paar Pickeln zuviel im Gesicht. Taylor Swifts Freundinnen sind zum Beispiel: Supermodel Karlie Kloss, Supermodel Cara Delevigne, baldiges Supermodel Gigi Hadid, Model und Unterhaltungsunternehmerin Heidi Klum, Schauspielerin Selena Gomez, Schauspielerin Jennifer Lawrence.

Lena Dunham fühlte sich "short and chubby"

Ihre anders-coole, aber auch supererfolgreiche Freundin Lena Dunham gab zu, sich bei einem Bühnen-Stelldichein zwischen all den langbeinigen Damen "short and chubby" gefühlt zu haben. Kann man sich als "Swiftie", also als Taylor-Swift-Fan, wirklich als Taylors Freundin fühlen, wenn ihre tatsächlichen Freundinnen aussehen wie von einem anderen Stern? Wenn die Inszenierung von Authentizität so überdekorativ wird wie bei Swift, verliert sie ihre Glaubwürdigkeit.

Ganz anders macht das der andere derzeitige Über-Popstar: Miley Cyrus. Ein Jahr nachdem sie mit ihren wackelnden Pobacken das Abendland an den Rand des Untergangs gebracht hat, wundert sich niemand mehr, wenn sie nichts als einen bunten Badeanzug auf der Bühne trägt und sich irgendwie koital bewegt. Auf das Twerken folgte das berüchtigte Wrecking-Ball-Gereite, das Lecken an Hammern, das Räkeln auf weißen Laken. Und immer wieder war da diese Zunge, die zu groß, zu lang, zu obszön schien für diese kleine Frau.

Die Zunge ging nicht mehr weg. Aber mittlerweile, ein Jahr danach, ist noch etwas klar: Miley Cyrus weiß, was sie tut. Das Twerken war kein Unfall. Sie bedient den Boulevard mit genau dem, was der Boulevard will: Nacktheit, Sex, Skandale. Der Clou dabei: Sie überbedient diese Wünsche so großzügig, dass der Boulevard es ist, der bloßgestellt wird. Und eben nicht sie selbst.

Anders als Taylor Swift hat Miley Cyrus der Authentizität nämlich sehr laut und grell Adieu gesagt. Mittlerweile ist klar: Die ausgestellte Sexualität der Miley Cyrus ist nichts anderes als Oberfläche. Cyrus ist purer Pop, ein einziges Spiel mit Oberflächen. Sex ist da kein anderes Mittel als die Plüschtierkostüme der Background-Tänzer. Nur eben eines, das noch mehr Aufmerksamkeit erzeugt.

Die Bilder von Cyrus' Körper sind gar nicht mehr zum Konsum geeignet

Miley Cyrus weiß das, denn ihre Jugend, ja, die prägenden Jahre der Pubertät, hat sie im sterilen, überinszenierten Disney-Kosmos verbracht. Als Hannah Montana, das süße Country-Music-Girl und American-Sweetheart war sie damals sexier als heute mit ihrem glatten, ausgestellten Körper, der notorischen Zunge, den verschiedenfarbigen (zuletzt auf ihrem neuen Plattencover glitzernden) Flüssigkeiten, die sie in ihrem Gesicht verteilt. So too much und over the top ist das alles, dass sie sich durch die ganze Übersexualisierung schon wieder entsexualisiert hat. Die Bilder von ihrem Körper taugen gar nicht mehr dazu, sie als Sexobjekt zu verkaufen.

Eltern freilich mögen lieber die freundliche Emsigkeit einer Taylor Swift. Und sie hassen Miley Cyrus für ihre Sex-Slacker-Persona, die kifft, flucht und ihr zuckendes Hinterteil Männlein wie Weiblein für alle möglichen Praktiken entgegenstreckt. Eine britische Umfrage ergab kürzlich, dass sie sich wünschen, ihre Kinder mögen sich bitte auf keinen Fall Miley Cyrus zum Vorbild nehmen, sondern lieber Kate, Herzogin von Cambridge. Wahrscheinlich machen die britischen Eltern da einen verständlichen, aber schweren Fehler. Denn in ihrer authentischen Inauthentizität ist Miley auf jeden Fall die interessantere Frau.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2643355
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.