Popkultur:Unter Brüdern

Er sieht aus wie Jimi Hendrix. Auf der Bühne führt er sich auf wie Hendrix. Und er klingt wie Hendrix. Aber Randy Hansen ist nicht nur eine großartige Kopie, sondern auch ein Original.

Von Martin Pfnür

Popkultur: Sieht aus wie Hendrix und hört sich an wie Hendrix - ist aber dennoch ganz er selbst: Randy Hansen.

Sieht aus wie Hendrix und hört sich an wie Hendrix - ist aber dennoch ganz er selbst: Randy Hansen.

(Foto: Cristina Arrigon)

Es ist wahrlich keine jugendbewegte Hipster-Veranstaltung, der man da im Münchner "Backstage" beiwohnt. Vor der Bühne befindet sich ein vorwiegend ergrautes Publikum - und auf der Bühne tobt ein immer wieder entfesselt auf den Saiten seiner Fender Stratocaster herumbeißender 62-Jähriger. Bekleidet ist er mit retroschicken Hippie-Klamotten, also mit Seidenhemdchen, hautenger Hose und Conchogürtel. Unter dem "Bandana"-Tuch auf dem Kopf lugt lichtes Haar in dünnen Strähnen heraus.

Und doch tut all das eigentlich gar nichts zur Sache. Es sind nämlich die Songs, um die es hier geht. Songs sind das, die als psychedelische Weiterentwicklung des elektrischen Blues und des Rock'n'Roll den Rock neu definierten. Songs, die Jimi Hendrix zur Ikone und zum größten aller Gitarristen reifen ließen, was wiederum nach seinem frühen Tod zu einem Personenkult führte, der nur mit jenem um Elvis, Jim Morrison oder Kurt Cobain vergleichbar ist.

Und ja, natürlich kann man eine Karriere wie jene von Randy Hansen, dem Herrn in der Hippie-Kluft, auch als schräge Blüte dieses Kults abtun. Und doch gibt ihm die Zeit ebenso recht wie die Anerkennung. Bereits seit Mitte der Siebziger ist Hansen, der wie Hendrix aus Seattle stammt, als Tribute-Act unterwegs, was ihm neben einer Handvoll Solo-Alben auch einen Beitrag für Francis Ford Coppolas Film "Apocalypse Now" ermöglichte. Am liebsten aber bringt er Hendrix' Songs auf die Bühne. Immer wieder. Und immer wieder anders. Klar versuche er auf Hendrix zu verweisen, sagt Hansen, der dem Meister sogar im Timbre gleicht. Kopieren wolle er ihn aber nicht. Um das zu vermeiden, gäbe es ja noch die Improvisation.

Vom Glück, als Kopie ein Original zu sein

Dabei würde man ihn auch als Kopisten lieben. Zeugt doch das, was er in München mit zwei braven Handwerkern an Bass und Schlagzeug zelebriert, von einer Meisterschaft, die weit über bloßes Reenactment hinausgeht: Es ist das über Jahrzehnte verfeinerte Können eines Vollblutfans, der auf eine Weise in diese Stücke eintauchte, die Hendrix selbst so nicht vergönnt war.

Er sei der glücklichste Mensch auf Erden, verkündet Hansen auf der Bühne des Backstage. Und gemessen am Enthusiasmus, mit dem er den Songs der Jubiläumsalben "Are You Experienced" und "Axis: Bold As Love" von 1967 sowie den Hits von "Electric Ladyland" neues Leben einhaucht, glaubt man ihm das nur zu gern. "Look out, here I come", warnt er noch, als einen mit "Voodoo Child (Slight Return)" auch schon ein Stück umbläst, das perfekt veranschaulicht, was diese Musik einst so groß machte: Unbändige Kraft, frei schwebende Eleganz, maximale Expressivität, alles auf der fluiden Basis des Blues, den Hendrix wie kein anderer mit dem Rock zu fusionieren verstand.

Herrje, man könnte weiß Gott noch viel erzählen über diesen großen Auftritt in München. Etwa über den spielerischen Umgang mit dem Feedback. Oder über das lüsterne Gegockel von "Foxey Lady". Über den gravitätischen Marching-Drum-Charakter von "Are You Experienced". Über die samtene Süße von "The Wind Cries Mary" oder diese absolut irren Soli, mit denen Randy Hansen sich zwar stets im Raster und im Kosmos von Hendrix' Songs bewegt, ihnen aber dennoch eine eigene Note verpasst.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: