Süddeutsche Zeitung

Popkultur:Da blüht euch was

Münchens Kunstakademie hat jetzt ein eigenes Label. Auf der ersten Vinyl-Veröffentlichung von "Akascope" beweisen elf verschiedene studentische Projekte, welch enormes musikalisches Potenzial die Münchner Hochschule birgt

Von Martin Pfnür

Es ist ja nicht so, dass es der Münchner Kunstakademie in der Vergangenheit an musikalischem Output gefehlt hätte. Das ebenso multinational wie modisch kunterbunt aufgestellte Kollektiv Chicks on Speed, die vogelwilde Damenkapelle oder auch die DJs der durchgeknallten Partyreihe Zombo Combo wie etwa Dompteur Mooner - allesamt waren sie einst als Studenten an der Akademie der Bildenden Künste eingeschrieben. Nur ging das mit der Musik halt immer eher parallel zum Studium und komplett auf Eigeninitiative beruhend vonstatten, denn so etwas wie eine gezielte Förderung oder gar eine Plattform, über die man die musikalischen Kräfte bündelte und gesammelt präsentierte, die gab es an der Kunstakademie ganz einfach nicht. Hier ein Live-Auftritt zur Jahresausstellung, dort eine Vernissage mit anschließendem DJ-Set, das war es dann eigentlich auch schon.

So gesehen ist das, was an diesem Freitag mit einer Vinyl-Release-Party im Kolosssaal der Akademie gefeiert wird, auch nichts weniger als eine kleine und längst überfällige Revolution. Wird dort doch mit der ersten Compilation des frisch aus der Taufe gehobenen Akademie-eigenen Labels "Akascope" auf eine Platte angestoßen, die tatsächlich erstmals einen Querschnitt dessen vorstellt, was musikalisch aktuell von Studenten der Akademie geschaffen wird. Und das ist nicht gerade wenig.

Elf verschiedene Künstler präsentieren die Kuratoren David Blitz, der zwischen 2002 und 2008 an der Akademie studierte und heute als Assistent in der Klasse von Professor Julian Rosefeldt arbeitet, und Jonas Yamer, der in der Rosefeldt-Klasse studiert und als DJ und Musiker mit "Molten Moods" bereits selbst ein Label betreibt, auf der Compilation. Diese wird nun in einer Kleinstauflage von 300 Platten entweder auf direkte Anfrage per E-Mail (blitz@adbk.mhn.de) oder gegen eine Spende auf der Release-Party erhältlich sein.

Der Weg dorthin war allerdings ein mitunter auch mühseliger. Gut ein Jahr Vorlauf haben Blitz und Yamer gebraucht, um die entsprechenden Gelder aufzutreiben; um den Akademieverein als unterstützende Instanz zu gewinnen; um mit einer E-Mail an sämtliche Akademie-Klassen anzufragen, wer sich denn vorstellen könnte, musikalisch etwas beizutragen; um aus den zahlreichen mp3-Einsendungen, die nicht nur von Studierenden, sondern auch von Ehemaligen und Externen stammten, jene elf auszuwählen, die nun auf der Compilation zu hören sind; und schließlich, um das Pressen der Platten anzuleiern, das Artwork der Plattencover zu gestalten und selbiges in der Siebdruckwerkstatt der Akademie zu drucken.

Gelohnt hat sich die Mühe allemal. In Form des Labels und der ersten physischen Veröffentlichung ist nun endlich auch in musikalischer Hinsicht die Basis dafür geschaffen, "die Präsenz der studierenden Künstler zu unterstützen, indem man eben nicht nur Platten herausbringt", sagt David Blitz. Für die Zukunft plant er auch, "Konzerte zu veranstalten oder Musiker und Sounddesigner zu Workshops in die Akademie zu laden". Mit der extrem vielfältigen Compilation "Akascope 1" ist Blitz, Yamer und allen weiteren Beteiligten auf alle Fälle schon mal ein staunenswertes musikalisches Statement geglückt, das der mitunter allzu stromlinienförmigen Münchner Musiklandschaft eine erfrischend andersartige Nuance hinzufügt.

Fein austariert zwischen Abstraktion und Griffigkeit, zwischen Beiträgen von Bands, Solisten, Klangkünstlern und Sounddesignern, entfaltet hier jeder dieser höchst unterschiedlichen Tracks seinen ganz eigenen Zauber. So hört man etwa vortrefflich düster nach vorn strebenden Postpunk wie jenen der Band Paar um die Sängerin Ly Nguyen, die auch aus das Artwork der Platte gestaltete; hört wild wummernde, pluckernde und klöppelnde Geräuschcollagen wie jene des Projekts Gon & Owl Yeah; smooth elektrifizierten Dub wie jenen von David Blitz' eigener Band Mikrorave; quietschkomische Gaga-Tropicalia wie jene des Duos Zech Zuzak; rasende Tanzboden-Electronica wie jene der Instrumentalband Polizei; oder auch gänzlich entschleunigte Songs mit einem gewissen Gothic-Apeal wie die einst im Rahmen eines Sets fürs Akademie-Radio eingespielte Koproduktion zwischen der Künstlerin und Sängerin Rosa Anschütz und Kurator Jonas Yamer. Letzterer wird mit einem DJ-Set bei der Vinyl-Release-Party nun ebenso zu hören sein wie das mit einer ambient-dystopischen Soundinstallation vertretene Duo Kalas Liebfried & Lobo und die mal minimalistisch-elektronisch, mal rein analog mit einer akustischen Gitarre agierende Solo-Künstlerin Manuela Illera.

Die Einnahmen der Plattenverkäufe sollen, so David Blitz, übrigens komplett in die bereits geplante nächste Ausgabe der Akascope-Compilation fließen. Die Investition ist also nicht nur in musikalischer Hinsicht lohnenswert, sondern letztlich auch für den Erhalt dieses Label-Projekts, das hoffentlich noch lange fortbesteht.

Akascope-Vinyl-Release-Party, Freitag, 20. Dezember, 19 Uhr, Kolosssaal (im Untergeschoss des Altbaus der Kunstakademie), Akademiestraße 2-4

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Quelle:
SZ vom 18.12.2019
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