Popkolumne:Zuckrig

Warum es wieder Zeit ist, sich Selena Gomez' Video "Bad Liar" anzugucken, warum es manchmal besser ist, nicht geschmackvoll zu sein, und warum Lana Del Rey ihren Song "Cola" wieder zurückgezogen hat.

Von Juliane Liebert

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Selena Gomez sieht immer aus, als hätte man den Kopf eines Welpen auf einen Menschenkörper montiert. Der kanadische R'n'B-Sänger Abel Makkonen Tesfaye alias The Weeknd wiederum sah lange aus wie eine wandelnde Palme. Die beiden waren zehn Monate lang zusammen, ein vermögendes Paar: 60 Millionen sie und 50 Millionen er. Sie hätten sich also, wenn sie ihre Ersparnisse zusammengelegt hätten, eine Insel kaufen können oder ein kleines Land. Oder eine ordentliche Ecke von Kreuzberg. Leider wird es dazu nicht mehr kommen, denn sie haben sich jüngst getrennt. Das ist nicht wichtig, bietet aber die ideale Gelegenheit, sich noch einmal das Video zur Gomez-Single "Bad Liar" anzuschauen. Es ist musikalisch ziemlich untypisch für sie und, wer hätte es geahnt, richtig gut. Im Video spielt sie eine Schülerin und deren Lehrerin und Vater und Mutter, also alle vier. Der Vater (Selena Gomez) schäkert hinter dem Rücken der Mutter (Selena Gomez) mit der Lehrerin (Selena Gomez). Alle sehen aus wie zwölf, und am Ende stellt sich heraus, dass die Schülerin (Selena Gomez) heimlich in die Lehrerin verknallt ist. Kein Wunder, dass The Weeknd (Selena Gomez) das zu viel wurde. Mögen sie in Frieden auseinander gehen.

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Und dann, tja, gibt es die Dinge, die schlechter werden, wenn sie besser werden. Tennis etwa. Die Band. Ihr Debüt erschien 2011, hieß "Cape Dory" (Fat Possum Records) und war allerschlimmster Retro-Kitsch, grausig süß, eingängig bis zur Widerlichkeit, voller Uhh-huhh-Gesang und Fingerschnipsen, also in jeder Hinsicht fern jedes Anstandes, aber natürlich auch, ähem, super. Wer braucht schon Anstand, Geschmack und so was wie Nachbarn, die einen grüßen. Diese Woche erscheint nun eine neue EP, "We Can Die Happy" (Juno Records), die viel geschmackvoller ist, aber deswegen auch nicht mehr so wirklich gut. Was für einen Sinn hat die Pflege eines Lasters, das keines mehr ist?

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Wem das alles aber trotzdem zu zuckrig ist, der kann sich wie immer Wiederveröffentlichungen und Boxen mit, oje, richtiger Musik kaufen. Unter anderem Metallica und Hüsker Dü und Elton John bringen gerade welche raus, es muss inzwischen so viele Reissues und Boxen geben, dass selbst das gesamte Vermögen von Welpe und Palme nicht ausreichen würde, um sie alle zu kaufen, aber jedem das Seine. Ähnliche Spielwiese, aber besser: Mute veröffentlichen Vinyl Reissues von ALLEN Alben von Throbbing Gristle. Die sagten schon 1980: "We're interested in information, we're not interested in music as such. And we believe that the whole battlefield (if there is one in the human situation) is about information", was seitdem von Jahr zu Jahr wahrer geworden ist. Grünes oder lila Vinyl?

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Wo wir schon bei Abgesängen sind, die Retropop-Königin Lana Del Rey hat wegen der Missbrauchsvorwürfe gegen Weinstein ihren Song "Cola" zurückgezogen, da der von ihm inspiriert worden sei. Das ist aus vielen Gründen diskussionswürdig, wird aber natürlich nur dafür sorgen, dass mehr Leute dem Song lauschen, als es sonst der Fall gewesen wäre. Wenn man sich "Cola" genau anhört, geht die Aktion ohnehin am Kern der Sache vorbei: Der Song spitzt auf die für Lana Del Rey typische Art den amerikanischen Traum so zu, dass das Ganze eher wie eine Parodie wirkt. Die einzige Person, die Zeilen wie "My pussy tastes like Pepsi cola" als ernsthafte Hommage an Harvey Weinstein verstanden hat, war wohl schon immer Lana Del Rey selbst.

Ansonsten hat Pop-Superstar Taylor Swift, deren neues Album am Freitag erscheint, Klage gegen einen Blog namens PopFront eingereicht, der sie in einem Post zur Ikone der Alt-Right-Bewegung erklärte (). PopFront hat den sehr langen Brief von Swifts Rechtsanwälten prompt veröffentlicht: "Among other things, the story propagates such hideous falsehoods as: 1) ,Taylor's lyrics play to [A]subtle, quiet white support of a racial hierarchy'; 2) that there are similarities between Ms. Swift and Adolf Hitler". Bei allem Respekt vor dem nachvollziehbaren Bedürfnis, mit den Alt-Right-Leuten nichts zu tun haben zu wollen: Sich auf diese Provokation einzulassen, ist absurd. Lustiger, als immer wieder spektakulär erfolglos zu versuchen, Menschen im Internet ihre Meinung zu verbieten, wäre doch, wenn Swift, wie die Beatles oder Jonny Cash, ein Album mit deutschen Covern ihrer größten Hits machen würde. Ihre Songs hießen dann "Schüttel es ab" oder "Ich wusste, dass du mich in Schwierigkeiten bringen würdest".

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