Süddeutsche Zeitung

Popkolumne:Zart, sanft, sacht

Neue Alben von "Bonaparte", "Eagles Of Death Metal" und "Two Door Cinema Club" - sowie die Antwort auf die Frage, ob man noch Lagerfeuermusik nennen darf, was gegenüber dem Knacksen von Holzscheiten untergehen könnte.

Von Max Fellmann

"Wann ist ein Mann ein Mann?", fragt Tobias Jundt - und ergänzt die klassische Zeile sofort um die Frage "Wann ist eine Frau eine Frau?" Grönemeyers Hit ist jetzt 35 Jahre alt, aber plötzlich steht der Ohrwurm in neuem Kontext, und man fragt sich, hätte der Text nicht eigentlich immer schon so lauten müssen? So was kann Jundt, der seit Jahren als Bonaparte Berlin unsicher macht, gut: bekannte Versatzstücke von früher so einsetzen, dass daraus etwas ganz Heutiges entsteht. Er kann das sogar mit Menschen - im Song "Big Data" überlässt er Farin Urlaub und Bela B je eine Strophe, und so wie hier hat man die beiden Ärzte noch nie gehört. Von der punk-nahen Überdrehtheit, für die man Bonaparte - vor allem live - liebt, ist auf dem neuen Album "Was mir passiert" nichts zu hören, stattdessen Gemurmel und versonnene Lebensbetrachtungen, Jundt singt darüber, wie er wartet, "dass der Sinn des Lebens mir begegnet". Am schönsten wird's, wenn er für "Dene wos guet geit" die Sängerin Sophie Hunger zum Duett bittet, zwei Schweizer unter sich. Manche der Songs sind an der Elfenbeinküste entstanden, gut zu hören, afrikanische Rhythmen, perlende Gitarren, immer etwas Fernweh drin, bis hin zum sonnenuntergangswarmen Abschluss "Is OK (Lieben For Life)".

Die Eagles Of Death Metal waren mal eine amüsante Hardrock-Band, Fuzz-Gitarren und Falsettgesang, überdreht selbstironische Inszenierung, ein großer Spaß aus dem Umfeld der Queens Of The Stone Age. Dann das Konzert im Pariser Bataclan 2015, der Terroranschlag, all die Toten, all die Gewalt, all der unfassbare Hass. Plötzlich war die Band mehr als nur eine Band, sie wurde zum Symbol des Kampfs gegen den Terror. Das war viele Nummern zu groß für die Gaudibrüder. Und dann redete der Sänger Jesse Hughes in Interviews viel Unfug, verbreitete Verschwörungstheorien, und die Welt erkannte, was er immer schon war: ein ziemlich irrer Redneck und Waffenfreund. Bei der Wiedereröffnung des Bataclan 2016 verweigerten ihm die Betreiber den Einlass. Dann: Stille. Jetzt erscheint "The Best Songs We Never Wrote", das erste Studioalbum seiner Band seit damals. Vermutlich wusste niemand, wie man die richtigen Worte für dieses Comeback finden sollte, also wurde es eine Sammlung von Cover-Versionen. Mal ganz lustig (Mary J. Bliges "Family Affair" als Garagenrock), mal ziellos (Steve Millers "Abcadabra", einfach runtergeschrubbt), mal völlig uninspiriert ("High Voltage" in einer Rock-Version, die gegen das AC/DC-Original nicht den Hauch einer Chance hat). Als Vorlage für unbeschwerte Live-Konzerte wäre das alles schon in Ordnung - aber wie soll ein Konzert der Eagles Of Death Metal jemals wieder eine unbeschwerte Angelegenheit sein?

Letzte Woche hat der große Neil Hannon mit The Divine Comedy ein etwas unbefriedigendes Album veröffentlicht, weil er sich plötzlich am Sound der Achtziger versuchte. Vielleicht hätte er sich am Two Door Cinema Club orientieren sollen. Die drei Musiker sind Nordiren wie er, sie machen genau die Art von Achtziger-Synthie-Pop, die Hannon im Hinterkopf hatte, aber sie bekommen den Sound verblüffend originalgetreu hin. Das neue Album trägt den passenden Titel "False Alarm" und manchmal muss man unvermittelt lachen, weil alles so sehr nach Abifeier 1989 klingt. Aber wie es eben immer ist mit epigonaler Musik: Dass es alles schon mal gab, darf denen, die für die Originale zu jung waren, selbstverständlich völlig egal sein. Wen dieser Sound jetzt packt, den packt er eben jetzt, wer braucht da Diskussionen über Originalität und Anspruch. Aber es wäre schon ein Spaß, bei einem Konzert der Band mal heimlich "C'est La Vie" von Robbie Nevil (1986) über die Anlage laufen zu lassen - das Publikum würde keinen Unterschied bemerken.

Es ist ein paar Jahre her, da veröffentlichte die Band Calexico einige Songs mit Sam Beam, der unter dem Namen Iron & Wine auftritt. Calexico und Iron & Wine gaben auch Konzerte zusammen, es war die Rede von einem Album. Jetzt, Jahre später, hat es doch nur zu einer zweiten EP gereicht. Zum Trost: Die siebeneinhalb Country-Songs auf "Years To Burn" verbreiten so viel Atmosphäre, dass man beim Hören die Zeit leicht vergessen kann. Zart gestreichelte Akustik-Gitarren, Sam Beams sanfter Gesang, ein sachtes Fließen aus Akkorden, in allem ein Hauch von Wüstenromantik. Man darf das Lagerfeuermusik nennen. Andererseits: Würde man das Album an einem Lagerfeuer hören, es könnte fast ein bisschen untergehen gegen das Knacksen der Holzscheite.

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SZ vom 12.06.2019
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