Süddeutsche Zeitung

Popkolumne:Video-Wehen

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Offset, der Rapper und Freund von Grammy-Gewinnerin Cardi B, führt die Geburt seiner Tochter vor. Wie gut, dass es Künstler wie Black Taffy gibt, die mit Musik Feuer machen.

Von Juliane Liebert

Die Popwoche stand im Zeichen der Grammys, die von einigen Musikern gewonnen wurden und von anderen nicht. Darüber waren wiederum andere sauer; es irrt der Mensch, solange er strebt. Offset, der Freund der Grammy-Gewinnerin Cardi B, seines Zeichens Rapper, hat am Montag einen Teaser für sein neues Album veröffentlicht. In dem man Cardi B zusehen kann, wie sie die gemeinsame Tochter der beiden zur Welt bringt. Diese Tochter heißt, ulkig genug, Kulture. Im Video sieht man ein paar Konzertszenen, dann Offset, der links von Cardi B steht, die in den Wehen liegt. Sie schreit, Zoom zu Offsets Gesicht, Veröffentlichungsdatum seines nächsten Albums. Naja, andere tragen komische Hüte oder verschicken passiv-aggressive Postkarten, wenn sie Aufmerksamkeit wollen.

Während Cardi B also vor den Augen der Welt Kultur gebiert, lässt sich Black Taffy nicht stressen. Er versucht es stattdessen mit sanft eiernden Harfen, einem staubigen, sehr langsamen Hiphopbeat und mit tapegesättigtem Bass, viel Vinylgeknister. Ein "therapeutisches Album" wollte der in Dallas ansässige Produzent aufnehmen. Ob es wirksam ist, möge in medizinischen Studien untersucht werden. Jedenfalls wärmt es an regnerischen Februartagen effektiv die Seele (selbst wenn man nicht an Seelen glaubt). Auf "Elder Mantis" verbinden sich in bester Old-School-Manier collagierte Fragmente von meditativen Saiteninstrumentenklängen (besonders schön: die japanische Koto) mit einer Spur Trap und Trip Hop. Die Lo-Fi-Bearbeitung ist dabei kein billiger Retrolack, sondern erhöht die akustische Reibung, was fast so beruhigend wirkt wie Kaminfeuer. Dass sich das Soundprofil irgendwo zwischen japanischer Kirschblüte und britischem Nebel bewegt, gibt einem ein angenehmes Transitgefühl. So wie ja auch Flughafenwartehallen wunderbare Orte wären, wenn sie Kamine hätten.

Bei der australischen Rockband Methyl Ethel nervt mal wieder die Produktion. Was schade ist, denn kompositorisch ist das Album ziemlich elaboriert, vermutlich sortiert sie die englische Wikipedia auch deshalb unter "Art Rock" ein. Es gibt ein paar nette harmonische und rhythmische Spielereien. Basslines, die den Grundton vermeiden. Die androgyne Stimme des Sängers macht den Klang der Band einerseits interessant, andererseits ist es auf Dauer zu jaulig für den Alltagsgebrauch. Am gelungensten sind die Songs, die rhythmische Pointiertheit und eine gewisse Durchlässigkeit behalten, "Real Tight" etwa. Insgesamt täte es der Musik gut, wenn sie weniger glatt und laut produziert wäre und den manchmal sehr hübschen Klangcharakteristiken der Instrumente und den kompositorischen Ideen vertrauen würde, anstatt die Hörer wegblasen zu wollen.

Die Ärzte haben auf ihrer Webseite ein Rätsel laufen, das Trennungsgerüchte ausgelöst hat. Ein Wort mit acht Buchstaben soll erraten werden, die ersten beiden lauten A und B, wer den zweiten errät, bekommt ein Snippet aus einem neuen Song. Die Lyrics: "Manchmal ist es einfach Zeit zu gehn. Doch wenn der Tag gekommen ist, sagt niemand Dir Bescheid. Ich weiß es fällt Dir schwer das einzusehn. Und traurig fragst Du mich, ist es denn wirklich schon soweit. Ich sage Dir, wir haben hell geleuchtet. Und vieles, was wir taten, hat Bestand. Man wird sich lange noch an uns erinnern. Du musst jetzt stark sein, hier nimm meine Hand." Seitdem wird heiß spekuliert: Heißt das Wort "Abschied?" Andererseits, wieso immer gleich das Schlimmste befürchten, auch "Abendrot" oder "Aberwitz" kämen in Frage.

"They only want you when you're seventeen / When you're 21, you're no fun" ist die Zeile, mit der Ladytron berühmt wurden. Inzwischen sind sowohl Ladytron selbst als auch ihre Hörer weder 17 noch 21, sondern eher die Summe dieser beiden Zahlen. Fun sind sie trotzdem noch. Ihr neues, selbstbetiteltes Album erscheint nach sieben Jahren Pause. Auch hier ist es mal wieder so, dass die Band am besten klingt, wenn sie sich traut, rückhaltlos Achtziger zu sein. Beispielsweise in "The Island" mit seiner Brandung aus Spacegeigen. Die Songs arbeiten größtenteils nach demselben Prinzip: Relativ monoton stampfender Mid-Tempobeat, Keyboard drüber und monotone Vocals ohne große Ausschläge in der Tonhöhe, bei denen man sich nie ganz sicher ist, ob sie unbeteiligt oder emotional berührt klingen sollen. Ab und zu mal ein überraschender Harmoniewechsel. Wenn es etwas Positives an dem Siegeszug der Hiphop- / R'n'b-geprägten elektronischen Musik gibt, dann dass diese die Wall-of-sound-Musik von Broken Social Scene über Arcade Fire bis zu diesem ganzen Keyboardflächen-Popgedöns zurückgedrängt hat. Ladytron verzeiht man das.

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Quelle:
SZ vom 13.02.2019
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