Popkolumne:Obamas Songs

Ach, war das schön, als Amerika noch einen Präsidenten hatte, der lesen konnte! Außerdem gibt es was Neues von Avril Lavigne, den Spice Girls und Damon McMahon alias Amen Dunes. Und der Musiksender Viva existiert nicht mehr.

Von JULIANE LIEBERT

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(Foto: Jason DeCrow/AP)

Kurz vor Silvester veröffentlicht Barack Obama stets eine Liste der Bücher, Filme und Songs, die ihn im Verlauf des Jahres inspiriert haben. Worauf die Amerikaner kommentieren, dieses Jahr noch konsternierter als letztes, sie würden es vermissen, einen Präsidenten zu haben, der lesen kann. Diesmal waren Barack Obamas Songs des Jahres etwa "Apeshit" von Beyonce und Jay Z, "My Own Thing" von Chance the Rapper (feat. Joey Purp) oder "Bad Bad News" von Leon Bridges, aber auch Kurt Vile hat es mit "One Trick Ponies" auf die Liste geschafft. Dass Obama kulturaffin ist, weiß man inzwischen. Es wäre mindestens ebenso interessant, Trumps jährliche Songliste zu sehen, aber der kann sie ja leider nicht aufschreiben, weil er nicht lesen kann. Oder so. Laut einem Interview war er allerdings lange großer Neil-Young-Fan (eine unerwiderte Liebe).

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(Foto: OH)

Der Musiksender Viva existiert nicht mehr. Am 31. 12. 2018 um 14.00 wurde er nach 25 Jahren abgeschaltet, der letzte Clip war "Zu geil für diese Welt" von den Fantastischen Vier. Wer in den Neunzigern großgeworden ist, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Großteil seiner späten Kindheit und frühen Pubertät damit verbracht, zwischen Viva, Viva Zwei und MTV hin und her zu schalten. Praxis dabei: Wenn Viva ein Musikvideo spielte, das man hasste, schaltete man zu MTV, wo hoffentlich gerade keine Werbung lief, oder zu Viva Zwei, und das war's dann auch mehr oder weniger. Süße Zeit der begrenzten Optionen! Man konnte nicht mal skippen, sondern zwischen den drei Fresströgen hin und her hüpfen wie eine verwirrte Ratte. Schön war das. Andererseits ist Viva schuld an Stefan Raab. Always forgive, never forget.

Avril Lavigne
(Foto: Birdie Thompson/dpa)

Zudem, die Nummer mit der Linearität der Zeit ist ja nicht nur in der Physik, sondern erst recht im Pop Unsinn. Der Pop liefert dafür auch im neuen Jahr wieder jede Menge Beweise. Immerhin ist 2019, und die Backstreet Boys und Avril Lavigne haben neue Alben angekündigt. Avril Lavigne hat sogar schon die erste Single-Auskopplung, "Tell Me It's Over", in die Welt gesetzt. Im Video dazu gibt sie ihrem Boyfriend Weihnachtsgeschenke, sie küssen und streiten und schauen ernst, und sie spielt Klavier. Schaut man im Vergleich dazu "Sk8er Boi" an, in dem sie 2002 mit Krawatte und Jungstruppe in Kaufhäusern randalierte, erinnert man sich an die Verschwörungstheorie, nach der die echte Avril mittlerweile durch einen Klon ersetzt wurde. Hofft kurz, sie wäre wahr. Und skippt dann.

Spice Girls
(Foto: Eric Mutrie/cc)

Außerdem wird es 2019 eine Spice Girls Reunion-Tour geben. Ohne Victoria Beckham. Für die Tour überarbeiten die Spice Girls gerade die Lyrics ihrer alten Hits, um sie diskriminierungsfrei zu machen. Aus der Zeile "yellow man in Timbuktu" soll "happy people in Timbuktu" werden. Was wiederum neue Fragen aufwirft: Sind die Leute in Timbuktu denn überhaupt glücklich? In Mali ist immer noch Bürgerkrieg, wenn auch die letzten Jahre nicht direkt in Timbuktu. Und warum überhaupt "yellow"? In Timbuktu sind die eher schwarz, wenn. Entweder die Texter der Spice Girls wussten nicht, wo Timbuktu liegt, oder es war schon immer eine Nonsense-Line. Wussten die Spice Girls, wo Timbuktu liegt? Sieht nicht so aus. Aber wie sollten sie das in den Neunzigern auch wissen. Es gab ja noch kein Internet! Jedenfalls nicht für das durchschnittliche Popsternchen. Man wusste ja nix, bevor es das Internet gab. Gott sei dank liegt das hinter uns.

The last festival to be held at Portmeirion known as Festival No.6 - Accredited photographer for the festival
(Foto: Alamy/mauritius images)

Ernstere Neuigkeiten gibt es dagegen von Damon McMahon alias Amen Dunes . Der Künstler hat öffentlich erklärt, dass er als Kind missbraucht wurde, um Zitate aus einem Interview, das er 2014 No Fear Of Pop gegeben hatte, im Nachhinein zu erklären. Er hatte damals angegeben, dass er nicht mit Frauen arbeite, weil das "nicht sein Vibe" sei. Als das Interview im Dezember wieder auftauchte, wurde er vielerseits angegriffen. Jetzt schrieb er, er hätte sich zu der Zeit nicht wohl damit gefühlt, eine Frau in seiner Band zu haben, denn "zwei verschiedene erwachsene Frauen missbrauchten mich sexuell während meiner Jugend, von etwa 9 bis zu meinem 18. Lebensjahr." Amen Dunes, fährt er fort, sei eine Form seiner eigenen Therapie, "der einzige sichere Raum, in dem ich die Gefühle und das Trauma aus meiner Kindheit erforschen und versuchen wollte, meine Identität und Sexualität als Mann zurückzugewinnen"

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