Popkolumne:Wahrscheinlichkeit einer "Oasis"-Reunion: 80 Prozent

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Mal ganz andere Frage zu Liam und Noel Gallagher: Will man das unbedingt wieder zusammen sehen? (Foto: Fiona Hanson/picture alliance/dpa)

Behauptet zumindest das beste neue Spiel für dunkle Winterabende. Ein bisschen gute Musik gibt es trotz Weihnachten außerdem auch noch.

Von Max Fellmann

(Foto: N/A)

In den letzten Tagen vor Heiligabend kommen traditionell kaum mehr relevante Alben auf den Markt. Das Weihnachtsgeschäft ist gelaufen, die guten Gaben sind gepackt. Und überhaupt, Musik als Geschenk, in welcher Form denn bitte noch? Hier, Schatz, ich hab dir das Gesamtwerk von Arcade Fire auf Spotify freigeschaltet? Na, frohes Fest. Und oje, das Album, auf das manche sich am meisten gefreut hätten ... tja, leider: erscheint noch nicht. Das Debüt von Wet Leg. Hätte bitte gern noch vor Weihnachten rauskommen dürfen. Seit ein paar Monaten sind die beiden Frauen von der Isle Of Wight schließlich das spannendste Ticket. Auf guten Festivals vertreten, zuletzt auch in den cooleren Sendungen des englischsprachigen Nachtfernsehens. Ihre Videos sind grandiose Kuriositäten im Wes-Anderson-Stil, ernste Blicke vor ländlicher Kulisse, Bauernhausterrassen und Heuballen. Vor allem aber: diese Musik! Stoisch funkelnder Indie-Pop mit manischen Gitarren, entrücktem Gesang und fantastischen One-Liner-Texten. Bitte unbedingt anhören: "Chaise Longue". Da schwingen vier Jahrzehnte Indie-Pop-Geschichte mit, und trotzdem ist jeder Ton absolut von heute. Der Witz dabei: Die zwei haben mit ihren drei Hintergrundbegleitern bis jetzt überhaupt nur drei, vier Singles veröffentlicht. Aber die genügen, um weltweit gespannte Erwartung zu schüren. Iggy Pop ist auch schon Fan. Wäre das Debüt von Wet Leg jetzt erschienen, es hätte eins der Alben des Jahres werden können. So heißt es: warten bis April. Hmpf. Aber dann sprechen wir uns wieder.

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Einstweilen dann eben ein Blick auf die Wiederveröffentlichungen. Und da melden sich erwartungsgemäß alte Bekannte: Wer in den späten 90er-Jahren auch nur auf einer einzigen Party war, hat nahezu sicher mal zur Musik von Jamiroquai getanzt. Es war ja eine Zeit lang praktisch nicht zu vermeiden. Vor 25 Jahren erschien "Travelling Without Moving" (Epic/Sony), das dritte Album der Band und ihr finaler Durchbruch: Riesenhits, gutes Tempo, schmissige Bläser, einmal den gesamten Stevie Wonder von vorn bis hinten durchkopiert. Jetzt alles noch mal sehr schön nachzuhören/nachzutanzen auf der "25th Anniversary Edition". Sänger Jason Cheetham, der sich Jay Kay nannte und mit lustigen Kopfbedeckungen auftrat, wusste genau, wie man's macht. Und er wusste vor allem, wann man's besser nicht mehr macht: Seit ein paar Jahren lässt er die Cocktails stehen, ruhiger und runder geworden genießt er das Familienleben auf seinem Landsitz in Südengland. Aber wann immer draußen ein Auto vorbeifährt, in dem gerade das Radio läuft, "die besten Hits der 90er", dann hört der Mann mit großer Wahrscheinlichkeit seine eigenen Songs durchs Fenster, "Virtual Insanity", "Cosmic Girl", "High Times", die Bässe schieben, die Ohrwürmer klingeln. Und wer weiß, vielleicht legt Jay Kay dann auf dem gebohnerten Parkett noch mal ein paar von seinen alten Moves hin.

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Schwerer und auch schwermütiger dagegen: "The Deepest End Vol. 1 & Vol. 2" (Floating World Records) von den Bluesrockern Gov't Mule. Gleich zwei Alben, jetzt als "Deluxe Edition", ältere Liveaufnahmen mit imposanter Gästeliste - und trauriger Geschichte: Allen Woody, Bassist und Gründungsmitglied, starb 2000, drei Jahre später gab die Band ein Marathon-Konzert, bei dem lauter berühmte Bassisten einsprangen, unter anderem Victor Wooten, Will Lee, Roger Glover, Jack Casady, Jason Newsted und Les Claypool. Absolut erste Liga. All diese Bassisten schaffen hier das Fundament, auf dem Warren Haynes, der Gitarrist und Sänger, seine seelensatten Slide-Soli ausbreiten kann. Und die Melancholie schwingt immer mit. Selbst bei den überraschenden Cover-Versionen wie "War Pigs" ( Black Sabbath).

Und zwischen den Jahren könnte man ein bisschen dem Spiel hinterhersinnieren, das der amerikanische Rolling Stone vor Kurzem angefangen hat: Wetten auf Wiedervereinigungen. Im Jahr 2021 gab es ja ein paar überraschende - die Fugees, Rage Against The Machine, sogar Abba. Deshalb fragte das Magazin, was da wohl 2022 noch so kommen könnte. Als nahezu aussichtslos sehen die Experten die Lage bei Pink Floyd (Chance fünf Prozent). Von einer fast schon sicheren Reunion sprechen sie bei Oasis (80 Prozent). Über so was lässt sich ja ganze Winterabende lang diskutieren. Herrlich! Bleibt nur die Frage, welche Wiederbegegnungen man sich denn wirklich wünschen würde. Will irgendjemand John Lydon zuschauen, wie er mit den Sex Pistols auf der Bühne steht und absolut jeden um sich herum hasst? Oder David Byrne, der die anderen Talking Heads einfach nur lästig findet? Vielleicht darf Nostalgie manchmal gern einfach Nostalgie bleiben.

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