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Popkolumne: "Good Morning Gorgeous": Der Titel von Mary J. Bliges neuem Album klingt wie ein selbstgewisser Gruß in den Badezimmerspiegel.

"Good Morning Gorgeous": Der Titel von Mary J. Bliges neuem Album klingt wie ein selbstgewisser Gruß in den Badezimmerspiegel.

(Foto: 300 Entertainment)

Mary J. Blige sagt "Guten Morgen" zu sich selbst, Eddie Vedder verwandelt sich in alles und jeden. Dazu: "Alt-J", Trentemøller und The Jazz Butcher.

Von Max Fellmann

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Ach, damit hatte man nicht mehr gerechnet. Herbert Grönemeyer macht doch noch mal eine Platte auf Englisch? Unverkennbar: das perlende Klavier, das große Pathos, der gepresste Gesang, und ... Moment mal, wer ist denn der Typ auf dem Cover? Das ist doch Eddie Vedder. Der Sänger von Pearl Jam. Oh, da steht's ja auch: "Earthling" (Universal), ein Solo-Album. Aber bei dieser herbertesken Auftaktnummer darf man sich wirklich täuschen. Danach geht es dann sehr viel amerikanischer weiter. "Power of Right" klingt wie die Kings Of Leon, "Long Way" ist ein Trucker-Song in Tom-Petty-Tradition, "Fallout Today" erinnert an die Eagles, "The Dark" könnte von Springsteen sein. Hut ab, Vedder kann sich in alles und jeden verwandeln, aber irgendwann rätselt man doch, wo sich eigentlich Eddie versteckt. Wer den finden will, sollte sich lieber noch mal seine "Ukulele Songs" von 2011 anhören: nur ein Mann und sein Instrument - und ganz viel Seele.

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Willkommen im Haus mit den 137 Zimmern: Wenn das englische Trio Alt-J ein neues Album veröffentlicht, ist das immer eine herrliche Möglichkeit, sich auf den Wegen durch all die Anklänge, Zitate, Verweise zu verlieren wie in einem alten Geisterschloss. Nun also "The Dream" (Infectious Music/BMG). Hereinspaziert, vorbei an einer zarten Akustikgitarre, da plötzlich schroffe Rhythmen, ein Hauch Beach Boys, dann vier Takte Elektropop, hinter der nächsten Ecke tänzelt ein Barber-Shop-Quartett vorbei, dann wieder ein bisschen Retro-Beat-Ekstase, gefolgt von einer Strophe Psychedelica, danach Kirchenchor, die Pet Shop Boys begegnen einer Opernsängerin, Geigen jubilieren ... So faszinierend wie atemlos. Aber die drei halten die Fäden so gut zusammen, dass das Ganze nie zerfasert. Und mag man als Schlossbesucher auch momentweise verwirrt sein, man findet immer wieder zurück in die Eingangshalle. Um sich dann gleich wieder in den nächsten Gang zu stürzen, auf der Suche nach weiteren Zimmern. Hui!

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Vergangenes Jahr erzählte Mary J. Blige in einem Interview, sie habe 2016 zum ersten Mal das Gefühl gehabt, dass sie ihren Erfolg verdient und auch genießen darf. 2016, noch mal kurz nachrechnen: Da war die Frau schon seit mehr als 20 Jahren eine der größten R'n'B-Sängerinnen Amerikas, hatte 40 Millionen Platten verkauft, neun Grammys gewonnen, feine Rollen in Filmen und Sitcoms, eine Broadway-Show hinter sich und eine Oscar-Nominierung. Und war trotzdem immer auch gezeichnet von den Härten ihrer frühen Jahre (Drogen, Eheprobleme). Heute scheint es ihr besser zu gehen. Der Titel ihres neuen Albums klingt wie ein selbstgewisser Gruß in den Badezimmerspiegel: "Good Morning Gorgeous" (Warner Music). Ist tatsächlich eine sehr entspannte Angelegenheit geworden, auch wenn Blige in den Songs die ernsten Themen ihres Lebens angeht. Dramatisch wird es trotzdem nie. Kollegen aus der Hip-Hop-Nachbarschaft liefern ein paar lässige Beats, Gäste wie Anderson .Paak und Usher geben ein bisschen Senf dazu. Und am kommenden Wochenende tritt Mary J. Blige beim wichtigsten Konzert Amerikas auf, der Superbowl-Halftime-Show. Möge sie es genießen. Sie hat es sich verdient.

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Der Däne Anders Trentemøller ist immer dann am besten, wenn er es fließen lässt, wenn er einfach den Klängen hinterherspürt und sich nicht groß um Songstrukturen schert. Zwischen reduziertem Elektropop und Ambient-Träumerei ging es auf seinen bisherigen Alben manchmal wunderbar entrückt zu, ein zartes Gleiten von Klangwolke zu Klangwolke. Inzwischen mag er es poppiger, auf "Memoria" (InMyRoom) finden sich viel Gesang und klare Refrains, manchmal geht's fast in klassischen Synthiepop. Kann man mögen, weil griffiger, prägnanter - andererseits geht dadurch auch ein bisschen die schöne Verlorenheit, äh, verloren. Aber gut, das Album besteht aus 14 Stücken, und da die meisten Menschen heute sowieso nur noch Playlists hören, würde sich hier anbieten: die eine Hälfte der Stücke in die Pop-für-die-U-Bahn-Liste, die andere in die Bei-Regen-aus-dem-Fenster-schauen-Liste.

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Zuletzt noch eine kleine Erinnerung an einen vergessenen Helden. Oder, na ja, "Held" hätte er selbst wohl doof gefunden. Im vergangenen Jahr ist Pat Fish gestorben, der seit den 80er-Jahren unter dem Namen The Jazz Butcher ein paar sehr schöne Indie-Pop-Platten gemacht hat, very British, very casual, immer mit einem leicht spöttischen Zug um die Mundwinkel. Posthum erscheint jetzt noch ein letztes Album, "The Highest in the Land" (Tapete Records). Leichtfüßig wie einst, gut gelaunt brummiger Gesang, luftige Gitarren und stets ein Hauch von frisch gebrühtem Tee. Seufz. Danke noch mal für alles, Mr. Fish.

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