Lenny Kravitz' Hund ist tot. Das ist tragisch, allem voran natürlich für den Hund, aber Leroy Brown (2009-2021) scheint mehr gewesen zu sein als einfach nur der durchschnittlich treue Begleiter. Kravitz jedenfalls postete, neben Fotos, auf denen Tier wie Herrchen mit Sonnenbrillen und Ketten (beide!) wirklich verteufelt gut aussehen, diesen Abschiedsgruß: "(...) Danke, dass du dein Leben mit mir geteilt hast. (...) Wir haben gemeinsam ein ums andere Mal die Welt umrundet und uns dabei gegenseitig gelehrt, was wir konnten. Du warst der Beste." Und man muss sagen, gemessen an solchen Posts hat "Raise Vibration", das neue Video zum alten Song, das er, Kravitz, gerade veröffentlicht hat, erstaunlich viel Unterleib. In der Hauptsache ein blues-rockiges Gitarrenriff, über das die Stimme unisono skandiert, man möge doch nun bitte sein Ego beerdigen und stattdessen feine Stimmung verbreiten. Kravitz steht dazu in Leopardenmantel auf schartigen Felsklippen an tosender Brandung und dann kommt auch noch der erstaunlich langer Instrumental-Part, bei dem man noch nicht genau weiß, ob er mal irgendwohin führen sollte. Was fantastisch ist. Kravitz war schließlich immer dann am besten (und ja, die These ist hier, dass er mal wirklich extrem gut war), wenn er in der Instrumentierung ein bisschen Urinstinkt zugelassen hat. Es besteht also womöglich wieder Hoffnung. Für Kravitz. Für den Hund sieht es schlecht aus.
Der beste Albumtitel, da legen wir uns schon am Mittwoch fest, kommt diese Woche von Swiss & Die Andern. Er lautet "Linksradikaler Schlager" (Columbia/Missglückte Welt/Sony Music) und beinhaltet, nun ja, genau was der Titel verspricht eben. Man hört also hyperstumpfe Stampfbeats und dazu Synthiesounds, für die sich auch das billigste Casio-Keyboard vor Scham sofort zu Kravitz' Hund in den Freitod stürzen würde. Und dazu aber eben solche Texte, vorgetragen mit einer Attitüde, als hätten die Amigos und Andrea Berg vor Jahren am Alexanderplatz ein Stachel-Iro-Baby aufgelesen und durch die Pubertät gebracht: "Hetero ist keine Pflicht / doch homophob ist widerlich / denn wir sind alle Sterne, alle gleich und man muss Nazis / von den Straßen pogen / deutsches Blut auf deutschen Boden / ist der Schlager dir zu hart, bist du zu weich - Ey, ey, ey!" Das ist als Konzept nun eher nur für drei bis vier Songs richtig griffig, und da ist es natürlich gut, dass die EP auch nur aus fünf Songs besteht.
Die vernünftigste Songzeile, vermutlich des ganzen Monats, kommt dafür von Modest Mouse. Sie taucht im Song "Fuck Your Acid Trip" auf und lautet: "Fuck your acid trip, I need to get home." Sinngemäß: Der Drogen sind genug geschmissen, ich mag jetzt heim. Das bringt nun natürlich gleich einen schauderhaften Verdacht mit sich: Sind Modest Mouse, die Indie-Songwriter mit den so schwungvoll verdrehten Hirnwindungen, jetzt beim Dad-Rock angekommen? Bei Nachwuchs-Beschmachte und vertonten Erziehungsratgebern? Nun: Irgendwie schon. "The Golden Casket" (Epic International/Sony Music) ist tatsächlich einigermaßen tiefenentspannter Indie-Rock mit ein bisschen Speckring um die Bauchpartie. Und wer das schlimm findet (einen wirklichen Grund gibt es dafür aber eigentlich nicht), kann vermutlich Produzent Dave Sardy die Schuld geben. Dave habe ein famoses Gespür für Pop, sagte Band-Mastermind Isaac Brock jüngst in einem Interview. Wann immer er, Brock, also mit etwas besonders Versponnenem angekommen sei, habe Sardy ihm Dinge wie, zum Beispiel, eine Beatles-Doku vorgespielt - und ihn damit sanft zum Pop zurückgeführt. Zur Lieblichkeit. Zum Leichten. Einerseits. Andererseits sind da natürlich auch noch Songs wie "Never Fuck a Spider On The Fly". Auch die beinhalten Ratgeber-Lyrik, allerdings dieser Natur: "Well if you fuck a spider on the fly / You're gonna, gonna, gonna get the news / Yeah there's a lot of web / sure there's enough for you." Was das heißen soll? Nun, entweder: Wer mit Spinnen rummacht, verfängt sich in ihrem Netz. Oder: Das Internet ist böse. Eh klar.
Und damit noch schnell zu The Go! Team (bitte nicht zu verwechseln mit der 80er-Indie-Band The Go Team). Die Briten um Frontfrau Nkechi Ka Egenamba, am ehesten bekannt als Ninja, veröffentlichen am Freitag ein Album, das - ha, beinahe hätte man hier angefangen, die Stile aufzuzählen, die sie völlig schlüssig zu einem weitestgehend unerklärlich guten Mix kuratieren. Leichter ist es aber, zu sagen, was nicht vorkommt: Swedish-Pagan-Nu-Grind-Core-Death-Metal. Und Goa. Wobei man bei Goa schon nicht ganz sicher sein kann. Ansonsten ist "Get Up Sequence Part One" (Memphis Industries/Indigo) ein famos überambitioniertes Werk. Ein teils live gespielter, teils geschmackvoll zusammengesampelter Pop-Eklektizismus. Ganz soulig. Ganz bunt. Ganz toll.