Popkolumne:Kauzigkeit und Eleganz

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Mit neuer Musik von Panda Bear und dem LCD-Soundsystem - und der Antwort auf die Frage, welcher deutsche Pop-Künstler bald wieder auf den Einschlaf-Playlists ganz oben steht.

Von Jan Kedves

Was hört man in den USA gern, während Donald Trump vielleicht bald den Notstand ausruft und Chicago langsam wieder auftaut? Die Nummer 1 in den Billboard-Charts ist weiter "7 Rings" von Ariana Grande, eine raffinierte Hymne auf den Konsumismus, in dem sie sehr clever Julie Andrews' "My Favorite Things" aus dem Musical "The Sound of Music"-Musical (1959!) zitiert. Ebenfalls raffiniert ist, wie sie die Welt parallel zur Single mit ihrer Tattoo-Saga in Atem hält: Grande wollte sich "7 Rings" in japanischen Kanji-Schriftzeichen auf die Hand tätowieren lassen, offenbar ging dabei etwas schief. Japaner erkannten auf Twitter, dass das Tattoo bedeutet: kleiner Barbecue-Grill. Grande ließ den Fehler (absichtlich?) verschlimmbessern, und nun steht da: japanischer Barbecue-Finger. Wie schrecklich langweilig ist dazu im Vergleich mal wieder die deutsche Pop-Spitze! Auf Platz eins steht gerade "Prinzessa" von Capital Bra, eine Karibik-Fototapete im Super-Sonderangebot mit Autotune-Effekt. Capital Bra beglückt dazu im Video mit seinen Kumpels, die orangefarbene Arbeitsamt-Westen tragen, im Puff twerkende Sexdienstleisterinnen. Oder er belästigt sie. Ganz klar wird das nicht.

Zur Resensibilisierung höre man lieber Hauschka. Dessen neues Album "A Different Forest" (Sony Classical) wird, soviel ist sicher, wieder ein großer Hit in den Einschlaf- und Relax-Playlists auf Spotify. In der großen Streaming-Wolke ist eben die Neo-Klassik vom Avantgarde-Pop vom Chill-out immer nur einen Klick entfernt. Und wer kümmert sich heute überhaupt noch um Genres? Volker Bertelmann, wie Hauschka bürgerlich heißt, spielt jedenfalls wieder sein schönes Klavier. Und schlägt vor, dass die Menschen ihre Zeit damit zubringen können, sich achtsam, quasi meditativ, in den Hall seiner romantischen Elegien zu vertiefen. Wie lange es dauert, bis die Melodien verklingen! Manchmal krabbeln sie auch ganz nervös auf den Tasten herum, wie zur Rushhour im Ameisenhaufen ("Hands in the Anthill"). Hauschka schickt seine Musik dabei durch so weite Hallräume, dass Hörer, die unter Agoraphobie, also Angst vor weiten Räumen leiden, Panik bekommen könnten. Das ist dann nicht mehr so entspannend.

Von hübsch perlenden Melodien versteht auch Noah Benjamin Lennox alias Panda Bear viel, wobei sie bei ihm eher klingen, als perlten sie an einem kalifornischen Strand über eine Cola mit vielen Eiswürfeln. Damit wäre man auch gleich wieder beim ewigen Beach-Boys-Vergleich, der vor allem in Bezug auf Animal Collective gerne angestellt wird - jene Band, in der Lennox spielt, wenn er nicht solo unterwegs ist. Aber was soll man tun, wenn es doch stimmt? Auf seinem neuen Werk "Buoys" (Domino) scheint Lennox sogar selbst auf den Vergleich anzuspielen. Nicht nur, weil sich aus dem Titel ja ein vertippes "boys" herauslesen ließe, sondern weil "buoys" die Bojen sind, beziehungsweise diese Schwimmhilfen, mit denen man den Beinschlag beim Kraulen übt oder an denen man sich festhält, wenn man im Pazifik mal schlapp macht. Die Songs enthalten sehr viele Blubber- und Wellen-Geräusche, dazu singt Lennox mit seiner herrlich hellen Stimme über Delfine ("Dolphin") und die Flut ("Crescendo"). Ja, auf dem Album halten sich Kauzigkeit und Eleganz aufs Schönste die Waage.

Und noch etwas zum beliebten Thema legendäre Pop-Orte und ihre magisch-spirituelle (Nach-)Wirkung: James Murphy hat sich in jenem Studio mit seinem LCD Soundsystem eingemietet, das Jimi Hendrix 1970 in Greenwich Village, Manhattan, einrichtete, in dem er aber nur noch wenige Wochen arbeitete, bevor er in London starb. Weil der Ort Electric Lady Studios heißt, heißt das neue Album "Electric Lady Sessions" (Sony). Darauf: einige schöne Neu-Einspielungen einiger LCD-Soundsystem-Hits. Wobei sich das Karma des Ortes, oder der Effekt seiner rockgeschichtlichen Aufladung, wie auch immer man es nennen will, mehr in den Coverversionen zeigt. Etwa spielen LCD Soundsystem "I Want Your Love" nach, den Disco-Hit von Chic. Die ersten Minuten lassen sie dabei klingen wie "I Can't Kick This Feeling When It Hits" von Moodymann. Der Detroiter House-Produzent loopte 1997 einen Takt aus "I Want Your Love" so, dass die Chic-Sängerinnen immer wieder fragten: "What am I gonna do?" Es kann ja nie falsch sein, in einer Coverversion nicht nur das Original nachzuspielen, sondern auch noch verschiedene frühere Coverversionen und Interpretationen mit anklingen zu lassen. Auch gelungen ist das Cover des Heaven-17- Hits "(We Don't Need This) Fascist Groove Thang". Hymnen gegen den Faschismus kann es nie genug geben, und wenn sie schon älter sind ( in diesem Fall von 1981), singt man sie eben noch mal.

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