Popkolumne:Ich fresse alles

Diesmal mit dem "Rammstein"-Sänger Till Lindemann, der Band "Deine Freunde", Ben Lee und dem Songtitel des Jahres - sowie der Antwort auf die Frage, wofür Robbie Williams neues Weihnachtsalbum wirklich gedacht ist.

Von Max Fellmann

Popkolumne: undefined

Robbie Williams hat ein Weihnachtsalbum gemacht. Genauer: drei Weihnachtsalben in einem. "The Christmas Present" besteht aus 27 Songs. Die ersten zehn sind Swing-Stücke, Big Band, von schmissig bis leise. Aber offenbar traut er seinem Programm nicht, deshalb kommen gleich noch 17 weitere Stücke hinterher. Die lassen sich grob aufteilen in Robbie-Pop und Einmal-quer-durch-den-Gemüsegarten. Macht drei Alben, zwei ganz ordentliche, ein unnötiges. "Time For Change" könnte eine alte Take That-Nummer sein. "New Year's Day" ist epischer Stadion-Pop, Robbie ca. 1999. "Bad Sharon" erinnert an die Beatles, "Soul Transmission" ist klebriges Synthi-Zeug. Als letztes Päckchen unter dem Baum dann noch die Kool & The Gang-Kopie "Merry Kissmas". Hinzu kommen die Pakete von den Verwandten: Onkel Rod (Stewart) singt mit, Onkel Bryan (Adams) schaut vorbei. Sogar Tante Helene (Fischer) schneit rein, sie singt mit Robbie das Swingstück "Santa Baby", und man will ja nicht miesepetrig sein, aber das Lied ist wirklich langweilig. Robbie Williams wollte auf Nummer sicher gehen und alle bedienen, die Sentimentalen, die Feierfreudigen, die Nostalgischen und die Champagnerlaunigen. Immerhin, das Album eignet sich gut als Basis eines Trinkspiels an Heiligabend: Jedes Mal, wenn Robbie das Wort "Christmas" singt, müssen alle einen Schluck Glühwein nehmen. "The Christmas Song", "Yeah! It's Christmas", "Best Christmas Ever", "One Last Christmas", "I Believe in Father Christmas" ... das kann ja heiter werden.

Popkolumne: undefined

Was bleibt übrig, wenn man von Rammstein nur Sänger Till Lindemann übrig lässt und ihm einen schwedischen Multiinstrumentalisten zur Seite stellt? Rammstein. Vor vier Jahren haben Till Lindemann und Peter Tägtgren schon mal ein Album gemacht, englische Texte, Bandname Lindemann. Jetzt gibt es ein zweites, es heißt "F & M", diesmal deutschen Texten. Und würde man Rammstein-Fans in einer Blindverkostung das neue Lied "Ich weiß es nicht" vorspielen - wie viele würden auf Anhieb erkennen, dass es kein Rammstein-Lied ist? Wuchtiger Stampf-Beat, harte Metal-Gitarren, eckige Synthi-Melodien, alles da. Auch der Aufbau: In der Strophe ächzt und flüstert Lindemann, dann der große Refrain, Synthis und Streicher, Lindemann schaltet um auf Hymnengesang, Pathos, Arme hoch, "Und ich lauf alleine immer weiter / und wenn es regnet, regnet es auf mich". In Liedern wie "Knebel" (ungewohnt: akustische Gitarre) liefert Lindemann seine Sadomaso-Raunereien, in "Allesfresser" kommen die Reime, die gefährlich klingen sollen, "Ich fresse alles in mich rein / doch es muss jung und knusprig sein". Lindemann eben. Eine Überraschung gibts immerhin: "Ach so gern" ist ein Tango, richtig schön, mit Liebe zum Detail. Vielleicht trauen sich Lindemann und Tägtgren bei nächsten Mal noch mehr Ausbrüche dieser Art.

Popkolumne: undefined

Der australische Sänger und Songwriter Ben Lee saß im Januar für vier Tage in seinem Hotel in Chicago, draußen fieser Winter, er blieb drin, hörte die Musik seiner Jugend, die Indie-Helden der späten Achtziger und frühen Neunziger, und staunte: "Ich fand es merkwürdig, dass Indie-Rock aus irgendeinem Grund nie so kanonisiert wurde wie der Rock der Sechziger und Siebziger. Dabei waren Dinosaur Jr. meine Led Zeppelin, Sonic Youth meine Grateful Dead." Noch im Hotelzimmer fing er an, die Songs nachzuspielen und aufzunehmen. So entstand "Quarter Century Classix", eine Liebeserklärung in 13 Songs. Lee spielt "Blueprint" von Fugazi, "In The Mouth A Desert" von Pavement, "Speeding Motorcycle" vom gerade verstorbenen Daniel Johnston, Songs von Built To Spill, den Breeders und eben Dinosaur Jr. und Sonic Youth, meistens sanft und allein mit Gitarre, manchmal mit Streichquartett, immer aber mit der warmen Inbrunst eines Mannes, der sich an die prägenden Jahre seiner Jugend erinnert.

Popkolumne: undefined

Vor Jahren haben wir in dieser Kolumne auf das Debüt eines Hamburger Trios hingewiesen, das Hip-Hop für Kinder macht. Damals eine kleine Entdeckung, inzwischen haben Deine Freunde Tausende Fans. Mindestens. Und ein neues, fünftes Album. "Helikopter" funktioniert wieder wie Asterix und die Simpsons: jede Menge buntes Bumm-Zack für die Kleinen, und für die Großen Anspielungen und doppelbödige Witze. Die Musik zitiert Hip-Hop-Klassiker, Falco und Elektro-Pop, die Texte erinnern in ihrem Wortwitz an die frühen Fantastischen Vier, es geht um Klassenfotos, Aprilscherze und - bester Songtitel des Jahres - "Elternvertreterwahl in der Kita".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: