Süddeutsche Zeitung

Popkolumne:Ergreifend löchrig

Neues von Sade und Meshell Ndegeocello - und die Antwort auf die Frage, worauf es beim Covern wirklich ankommt.

Von Jan Kedves

Eine gute Cover-Version ist eine Kunst für sich. Denn wenn der Original-Song sehr bekannt und die neue Version ihm zu ähnlich ist, heißt es schnell: Ranschmiss! Andersherum wird es schnell als Respektlosigkeit verstanden, wenn sich das Cover vom Original zu weit entfernt. Meshell Ndegeocello weiß genau, wie man Songs sanft an die Hand nimmt und an die richtigen neuen Orte führt. Schon ihre Neo-Soul-Version des Bill-Withers-Hits "Who Is He And What Is He To You" (1996) war hervorragend. Für ihr neues, fantastisches Album "Ventriloquism" (Naive) hat die amerikanische Bassistin und Sängerin, die schon mit Madonna und den Rolling Stones gearbeitet hat, nur Cover-Versionen aufgenommen. Die Prince-Ballade "Sometimes It Snows In April" singt sie beinahe löchrig, aber ergreifend. Dem TLC-Hit "Waterfalls" spendiert sie ein verträumtes Steel-Guitar-Solo, so dass die verborgenen Blues-Qualitäten des Songs hervortreten. Auch wunderbar: wie Ndegeocello den Sade-Hit "Smooth Operator" mit polythythmisch vertracktem Jazz-Schlagzeug zum Dance-Song verwandelt.

Über letztere Version freut man sich besonders, denn "Flower Of The Universe", die neue Single von Sade, ist leider recht langweilig. Sie ist der erste neue Song der britischen Cool-Soul-Ikone seit sieben Jahren, beigesteuert zum Soundtrack des Disney-Films "Das Zeiträtsel", der Anfang April ins Kino kommt. Natürlich ist alles da, was bei Sade da sein muss - die hauchige Stimme, das entspannte Arrangement, die Lyrics mit existenzieller Tragweite. Trotzdem klingt der Song nach Pflichtübung. Im Ohr bleiben will er auch nicht recht. Schade, Sade.

Jay-Z und Beyoncé haben angekündigt, im Sommer zusammen auf Tour zu gehen. "On The Run II" wird das Spektakel heißen, das die amtierende R&B-Königin und den aktuell vermögendsten Rapper der Welt (Forbes schätzt Jay-Z auf 900 Millionen Dollar) in die größten Stadien der Welt führt. Die Tour macht auch im Berliner Olympiastadion und im Kölner Stadion Halt und ist im Grunde die logische Konsequenz aus Beyoncés "Lemonade"-Album, auf dem sie Jay-Z des Ehebruchs bezichtigte, und aus Jay-Zs Album "4:44", auf dem er Bey um Vergebung bat. Veröffentlicht das Paar vor der Tour auch noch ein gemeinsames Alles-wieder-tippitoppi-Album? "Second Honeymoon"? Bis Anfang Juni kann noch viel passieren.

Der Rapper Craig Mack ist gestorben. Bekannt wurde er 1994 mit seinem Hit "Flava In Ya Ear". Er arbeitete in New York mit Rap-Legenden wie Notorious B.I.G. und LL Cool J zusammen und veröffentlichte auf Bad Boy Records, dem Label von Sean "Diddy" Combs. Er erlag in South Carolina einem Herzversagen und wurde 46 Jahre alt.

Das Instrumental-Album der Woche kommt von Stimming & Lambert. Martin Stimming ist Techno- und House-Produzent aus Hamburg und hat sich in den vergangenen Jahren eine riesige Fan-Gemeinde erspielt, mit Tracks, die zum melancholischen Drama neigen. Lambert ist der Berliner Pianist, der seinen vollen Namen nicht verraten mag und stets eine sardische Stiermaske trägt, weil das so schön geheimnisvoll ist. Ihr gemeinsames Album "Exodus" (Kryptox) sucht nach der Verbindung zwischen Klassik und Elektronik, Streichquartett und Groove. Tracks wie "Edelweiß" und "Trauerweide" sind hochelegant arrangiert. Trotzdem könnte man fragen, ob hier vielleicht noch etwas fehlt: Stimme? Text? Gesang? Nein, vielleicht fehlen nur bewegte Bilder, dann wäre "Exodus" ein toller Soundtrack. Sebastian Schipper oder Tom Tykwer könnten sich angesprochen fühlen. Ein Hit auf dem stetig wachsenden Markt der elektronisch prozessierten Neo-Klassik wird das Album aber auch so.

Zum Schluss noch tanzen? "Hunchin' All Night" (Rush Hour), der neue Mix von Hun Choi alias Hunee ist großartig. Choi ist in Bremen aufgewachsen, wurde in den Berliner Clubs der Nullerjahre zum DJ und lebt seit einigen Jahren in Amsterdam. Andere DJs hampeln zur Show hinter dem DJ-Pult herum. Aber wenn Hunee beim Auflegen wie ein Flummi auf und ab hüpft, dann nur, weil er sich so darüber freut, dass es tatsächlich möglich ist, mit obskuren Platten aus Portugal, Benin oder Mali große Rave-Hallen zum Ausrasten zu bringen. Besonders toll hier: der Electro-Boogie-Song "Stages" des südafrikanischen Jazzmusikers und Produzenten Don Laka von 1986. Er ist nämlich eine raffiniert umgebaute Version des Hits "Changes" der New Yorker Disco-Combo Imagination von 1983. Wenn ein DJ derartig transatlantische Einflüsse hat, ohne dabei zu gelehrig zu wirken, weiß man, dass man es mit einem Meister zu tun hat.

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SZ vom 14.03.2018
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