Popkolumne:Possierliche Tiere

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(Foto: Warner Music Group)

Wombats produzieren würfelförmigen Kot - und feinen Power Pop. Dazu: ein ungestümer Elvis Costello, FKA twigs und noch mehr süße Viecher.

Von Max Fellmann

Kaum zu glauben. Da steigt Elvis Costello jahrelang Stufe für Stufe höher in seinen Elfenbeinturm, wird immer künstlerischer und ernsthafter, bis man denkt, na gut, man muss jetzt wohl Krawatte tragen, um ihm noch zuhören zu dürfen. Und dann plötzlich dieses Album: "The Boy Named If" (Emi/Universal). Es klingt, als wäre der Mann von der Elfenbeinturmspitze direkt in einen Jungbrunnen gestürzt und gleich mal für ein gründliches Bad dringeblieben. Erster Song, erster Ton, bäm: lauter, rotziger, krachiger 60s-Beat, der Text dazu ein wütender Aufschrei eines höchstens 20-Jährigen. Titel: "Farewell OK". Und die Spannung hält Costello über 13 Songs, die Stimmung, den Einfallsreichtum, die Wucht. Auf einmal nölt und plärrt er wieder, als hätten die 80er erst gestern angefangen.

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Offenbar musste sich da einer mal mit dem Unvermeidlichen befassen, mit der Vergänglichkeit, mit dem Abschied von alten Zeiten, um zum Drive eben dieser alten Zeiten zurückzufinden. Die neuen Songs nennt Costello "Schnappschüsse, die von den letzten Tagen des Jungseins handeln und von dem demütigenden Moment, wenn man gesagt kriegt, man soll sich nicht mehr wie ein Kind aufführen". Aber für alle, die es trotzdem gern ein bisschen erwachsener mögen, hat er ein Zuckerl: Das Album gibt es auch als edel aufgemachte CD-Buch-Kombi, mit 13 Kurzgeschichten von ihm. Zu jedem Song eine. Darf man auch mit Krawatte lesen.

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Tahliah Barnett, bekannt als FKA twigs, mag Uneindeutigkeiten. Die Musik der englischen Sängerin bewegt sich sehr frei im weiten Feld zwischen Elektronik und Experiment. Und wenn sie jetzt eine Sammlung neuer Songs veröffentlicht, dann nennt sie die nicht einfach "Album", sondern "Mixtape" (Warner Music). Könnte man für etwas bemüht halten, aber es ist was dran: Auf "Caprisongs" findet sich vieles, was im Duett entstanden ist, mit Kollegen wie The Weeknd, Jorja Smith und Daniel Caesar. Barnett sagt, das Album, pardon, Mixtape sei "meine Reise zurück zu mir selbst durch meine Kollaborateure und Freunde". Für gute Klickzahlen werden wieder die geschmeidigen R'n'B-Songs mit den eingängigen Refrains sorgen, spannender sind wie jedes Mal aber die eckigen Stücke, in denen alles merkwürdig fragmentiert bleibt, zum Beispiel im großartigen "Honda" mit seinen gebrochenen Beats und Kirchenchören. Und was man FKW twigs unbedingt zugutehalten muss: Selbst wenn ein Song in Ansatz und Attitüde nach Party schreit, dann weht bei ihr immer ein Hauch von Melancholie mit, von Könnte-gleich-wieder-vorbei-sein. Und was würde gerade besser in die Gegenwart da draußen passen?

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Wäre das hier keine Pop-, sondern eine Tierkolumne, dann wäre es unbedingt mal an der Zeit für eine Hymne auf die australischen Wombats. Wahnsinnstiere! Optisch eine Mischung aus Riesenhamster, Minibär und Robbe, sympathisch rund mit kurzen Beinen, ein bisschen wuselig, aber gemütlich. Um es mit einem altmodischen Wort zu sagen - possierlich. Und das Beste ist: Wombats produzieren würfelförmigen Kot. Kein Witz. Welches andere Tier kriegt das hin? Aber gut, es soll ja hier um Popmusik gehen, und damit Schwenk zu The Wombats aus Liverpool: Das Trio spielt mit seinem gut gelaunten Power Pop seit Jahren im britischen Mittelfeld, ist bei allen großen Festivals dabei und macht auf dem neuen Album "Fix Yourself, Not The World" (Awal/Rough Trade) wieder vieles richtig. Guter Schwung, der sich aus dem Gitarrenpop der 90er-Jahre speist, Refrains mit satten Melodien und immer wieder hübsche Texte (sehr schön die Kopf-hoch-Zeile "I'll get out of bed / stop listening to Radiohead"). Aber bei aller Sympathie: Mit den echten Wombats können die drei dann doch nicht ganz mithalten. Weniger possierlich, weniger lustig. Und würfelförmig ... na, lassen wir das.

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Apropos Tierwelt, noch etwas Neues von Simon Green. Der Engländer macht seit vielen Jahren Musik unter dem Namen Bonobo (Zwergschimpanse, Pan paniscus, eine Primatenart aus der Familie der Menschenaffen). Auf den bisherigen sechs Alben waren das meistens verträumte Ambient-Spaziergänge, viel wolkiger Wohlklang, manchmal fast an der Grenze zum Meditationssoundtrack, aber immer geschmackvoll. Auf dem neuen Album "Fragments" (Ninja Tune) geht Green es jetzt etwas radiotauglicher an, mit Gastsängern und ein bisschen Cocktail-Stimmung. Das kippt etwas Richtung Soulpop, schade, bietet aber auch einen willkommenen Anlass, noch mal "Black Sands" aufzulegen, das Album, mit dem der Mann vor Jahren seine eigene schöne Traumwelt definierte.

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