Popkolumne:Bewerbungssong für den nächsten Bond

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Tanz mit dem Teufel: Sängerin Demi Lovato. (Foto: Rich Polk/dpa)

Demi Lovato eifert Shirley Bassey nach, Jonas Nay kommt mit Pudeldame. Und bei Joe Strummer bleibt die Frage: Was würde der Mann wohl für Musik machen, wenn er noch lebte?

Von Von Max Fellmann

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Es ist ja ein Trauerspiel, wie das mit dem neuen James-Bond-Film läuft beziehungsweise eben überhaupt nicht läuft. Halbjahrweise Verschiebungen, zwischendurch wird berechnet, ob Netflix ihn vielleicht doch für aberwitzige Summen kaufen und streamen könnte. Dann wieder die Frage, wie viele Product-Placement-Minuten nachgedreht werden müssen, weil die ins Bild gesetzten Werbeuhren und -autos in der Zwischenzeit veralten. Uff. Während dieser ganzen ratlosen Warterei gehen andere einfach schon mal einen Schritt weiter und bringen sich unaufgefordert für den nächsten oder übernächsten Titelsong ins Spiel. Demi Lovatos neue Single "Dancing With The Devil" (auch der Titel des Albums, das dieser Tage folgt; Island / Universal Music) ist ein gesungenes Bewerbungsschreiben, exakt nach Shirley-Bassey-Formel: 60ies-inspirierter Soul, in der Strophe erst verhalten, im Refrain dann das ganz große Pathos, Kathedralen-Hall, Chor, düster absteigende Akkorde, darüber der weite Melodiebogen. Man sieht förmlich den Vorspann mit den Farbeffekten und Explosionen. Wer weiß: Bis der neue Bond endlich ins Kino kommt, hat die Welt den Titelsong von Billie Eilish vielleicht schon fast wieder vergessen. Es spräche nichts dagegen, einfach den hier einzubauen. Song neu, Uhrenwerbung neu, alles neu.

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Ist natürlich immer doof, wenn ein Schauspieler eine Band hat, und dann steht in jedem Artikel über die Musik, dass man ihn aus diesem anderen Zusammenhang kennt, auf ewig verknüpft, "die Band von dem Schauspieler". Aber hilft ja nichts, also: Jonas Nay kennt man aus der Serie Deutschland 83, aber viel wichtiger, seine Band trägt den vielleicht großartigsten Namen der jüngeren deutschen Popgeschichte - Pudeldame. Also, bitte: Yeah! Und warum Pudeldame? Gegenfrage: Warum nicht Pudeldame? (Auf jeden Fall freundlicher als die Hamburger Punkband Dackelblut.) Nach ein paar ersten Singles erscheint jetzt also das Pudeldame-Debütalbum "Kinder ohne Freunde" (Bauturm Rec/Tonpool). Es ist deutlich konventioneller als der Bandname, macht aber Spaß: Retro-Wohnzimmer-Disco, schön plastikbunt, tanzbare Computerbeats und altmodische Synthies. Dazu beiläufiger Murmelgesang mit Spaß am Sprachspiel: "Ich male gerne Drama, male Manga, mal Kadaver, mal Mandela, mal Mandala" (aus dem Song "Berlin Midde"). Und sehr viel Freude an doofen Verkleidungen in Videos. Gäbe es gerade Hauspartys, könnte dieses Album sehr gut und schön und laut in der Küche laufen, in der sich alle zum Rauchen und Tanzen treffen.

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Als Joe Strummer 2002 starb, war er gerade mal fünfzig, und irgendwie war nach den großen, ach, übergroßen Zeiten mit The Clash nie mehr richtig viel passiert bei ihm. Ab und zu Platten, meist eher unter dem Radar, hier und da Konzerte, unter anderem als Vorprogramm von The Offspring (was für ein tristes Schauspiel, als er von milchbärtigen Gymnasiums-Punks ausgebuht wurde und erst der Offspring-Sänger auf die Bühne kommen musste, um denen zu erklären, mit wem sie es da zu tun hatten). Es wurde nie eine bündige Solokarriere draus. Aber was blieb, war diese Stimme, dieses einzigartige, lebensheisere Ankrächzen gegen die Welt. Ein Ton, unter Tausenden rauszuhören. Die Werkschau "Assembly" (Bmg Rights Management/Warner) mischt jetzt 16 Lieder, erkennbar in dem Bemühen, neue Hörer für Strummer zu finden und zugleich alte Fans zu erfreuen. Also gibt's da die guten Solo-Songs wie "Johnny Appleseed" und "Yalla Yalla", dazu Clash-Klassiker wie "Rudie Can't Fail" und "I Fought The Law", live gespielt mit der späteren Begleitband The Mescaleros. Eine schöne Sammlung, die aber Lied für Lied genau eine Frage aufwirft und nicht beantworten kann, natürlich nicht: Was würde der Mann wohl heute für Musik machen, wenn er noch am Leben wäre?

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Zuletzt noch ein Name, der auf vielen Jahrhundertplatten steht, aber immer nur im Kleingedruckten: Daniel Lanois. Produzent von Alben wie Peter Gabriels "So", "The Joshua Tree" von U2, "Time Out of Mind" von Bob Dylan, dazu Neil Young, Willie Nelson, The Killers - kurz gesagt: In der Ruhmeshalle mit den Marmorbüsten steht seine direkt neben der von Rick Rubin. Ab und zu gönnt sich Lanois auch mal selbst was, setzt sich mit Freunden hin und nimmt ein paar Songs auf. Und die sind weder Stadionrock noch Kunst-Pop: Auf dem Album "Heavy Sun" (Dualtone Records/Spv) spielt er seine eigene, moderne Version von Gospel/Soul. In den Vordergrund zieht es ihn aber auch da nicht. Lanois lässt andere singen, spielt dezent Gitarre und sorgt dafür, dass das Ganze zugleich sehr spirituell und völlig entspannt daherkommt. Muss man auch erst mal hinkriegen.

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