Süddeutsche Zeitung

Popkolumne:120 Bars

Die Popereignisse der Woche. Diesmal mit Musik von Snoop Dogg, Dan Auerbach und Khruangbin - und einem Rat zur Krise des Grammys.

Von Max Fellmann

Noch ein Nachklapp zu den Grammys: Die sind bekanntermaßen eine mitunter ziemlich alberne Veranstaltung, viele zu viele Preise, ein Fest der Beliebigkeit - aber als sie gerade wieder verliehen wurden, fiel dann allen Beteiligten auch noch mitten im Geschehen auf: Oha, absurd wenige Frauen unter den Nominierten. Es ist ja nicht so, dass die Recording Academy, die die Grammys vergibt, erst bei der Veranstaltung erfahren würde, wen sie da so auszeichnet, ein Blick auf die Listen hätte da vielleicht Wunder gewirkt. Der Vorsitzende der Academy tat dann aber ein paar Tage später in einem Interview so, als sei das alles ein bisschen überraschend, und überhaupt, es sei für die Frauen an der Zeit, sich zu erheben. Darauf ungefähr alle Frauen im amerikanischen Musikbusiness: Wie meinen? Während etliche seinen Rücktritt fordern, hat der Mann jetzt immerhin die Einrichtung einer Task Force angekündigt, die alles genau unter die Lupe nehmen soll. Beim Wort Task Force schlafen einem zwar auf der Stelle die Füße ein, aber nun, vielleicht ist's ja ein Anfang. Man könnte aber auch, nur so eine Idee, das nächste Mal einfach mehr Frauen nominieren. Und ihnen dann Grammys verleihen.

Lustiger Vogel, dieser Dan Auerbach. Wenn er unter dem Namen Black Keys mit seinem Freund, dem Schlagzeuger Patrick Carney, zusammenarbeitet, schreibt er zwar alle Songs, singt und spielt Gitarre und tut und macht, aber sie sehen sich als Band. Wenn Carney nicht dabei ist, dann - na ja, dann ist eben Carney nicht dabei, Auerbach schreibt alle Songs, singt und spielt Gitarre und tut und macht. Das gilt dann nicht als Band. Er macht solo allerdings tatsächlich ganz andere Musik. Mit Carney spielt er wunderbar rumpeligen Bluesrock - allein dagegen verblüffend lieblichen Country-Folk. Jetzt gibt es ein neues Lied vom Solo-Auerbach, es heißt "Up On A Mountain Of Love", klingt wie eine Mischung aus Gilbert O'Sullivan (falls den noch jemand kennt) und Kinderlied (also noch mal Gilbert O'Sullivan). Sehr nett, sehr leicht. Man kann sich kaum vorstellen, dass das derselbe Kerl ist, der sonst schwitzend auf großen Bühnen rumlärmt. Ein Mann, zwei Persönlichkeiten - schön, dass das in diesem Fall nichts Beunruhigendes hat.

Man ist ja viel zu selten in einem offenen Cabrio in der Wüste unterwegs, mit Cocktails in der Kühlbox und einem schicken Anzug am Leib. Schade - es gäbe den perfekten Soundtrack für solche Ausflüge. Das texanische Trio Khruangbin spielt auf seinem zweiten Album "Con Todo El Mundo" eine Art Surf-Sound, weit runtergebremst, Schlagzeug und Bass tupfen so dahin, darüber dengelt eine E-Gitarre einsame Melodien zwischen Casino-Foyer und Schlangentanz. Nie zu wild, nie zu aufgeregt, aber auch immer gerade so weit oberhalb der Grenze zur Arbeitsverweigerung, dass das Auto nicht auf dem Seitenstreifen stehen bleibt.

Der unvergleichliche Snoop Dogg hat schon mehrmals angekündigt, er wolle unbedingt ein Gospel-Album veröffentlichen. Im März soll es jetzt so weit sein, es wird "Bible Of Love" heißen und 32 Songs enthalten. Einen ersten gibt es schon: "Words Are Few", verbremster Beat, entspanntes Snoop-Gemurmel, etwas Frauenchor, könnte eine Kiffer-Hymne sein, wie immer - aber nein, es geht tatsächlich um Gott. Und im Video wirkt die Kirche wie der perfekte Ort, um am Sonntagnachmittag mal ein bisschen zu chillen. Immer für eine Überraschung gut, der Mann.

Unbedingt mal einen Besuch wert: der Youtube-Kanal Jam In The Van. Der besagte Van transportiert ein mobiles Aufnahmestudio, das mit Solarenergie betrieben wird, und fährt kreuz und quer durch Amerika, um unbekannte Musiker und Bands aufzunehmen. Wer da als Zuhörer reinstolpert, will so schnell nicht mehr raus. Klar, es sind immer mal ein paar Ausfälle dabei, aber dann eben auch: echte Überraschungen. Zum Beispiel die Boogaloo Assassins mit einer Salsa-Version des Reggae-Klassikers "No No No" (bitte, exakt so buchstabiert man gute Laune); die Jazz-Folk-Sängerin Inara George, bei der nicht ganz klar ist, warum sie nicht längst große Konzerthallen füllt; die sehr lustigen Dumb Fucks, vier Jungs, an denen alles so superexakt Punkrock der frühen Achtziger ist, dass man die ganze Zeit lachen muss (der Sänger singt mit Strumpfhose über dem Kopf).

Ach, und hübsch war das Missverständnis vor Kurzem bei Spiegel Online. Da stand, demnächst erscheine eine FilmBiografie von Eric Clapton mit dem Titel "Ein Leben in 12 Bars". Richtig, es gab Phasen im Leben des Mannes, da hätten sogar 120 Bars gepasst. Aber der Originaltitel "Life In 12 Bars" hat dann doch eher nichts mit Claptons Alkoholkonsum zu tun, sondern mit der Musik, der er sein ganzes Leben gewidmet hat, mit den zwölf Takten des klassischen Blues-Schemas.

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SZ vom 07.02.2018
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