Süddeutsche Zeitung

Pop und Völkerverständigung:Wir sind Japans Helden

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Deutsche Bands singen ihre Lieder auf Japanisch - von Den Ärzten bis Wir sind Helden. Bleibt abzuwarten, ob Japaner das lustig finden werden.

Juan Moreno

Irgendwie fing die Veranstaltung sehr unjapanisch an. Sie begann 20 Minuten zu spät. Natürlich lag das nicht an den japanischen Kamerateams. Die waren pünktlich. Es waren die verschnarchten deutschen Kollegen, die zu spät waren. Aus japanischer Sicht ist Deutschland vermutlich schon lange eine Art verlottertes Südspanien. Doch die Japaner lächelten. Und nach und nach trudelten die deutschen Musikjournalisten ein. Einer fragte: "Ist das hier das Ding mit dem japanischen Gesinge?" Ja, war es.

Am Dienstag stellte das kleine Label "Fly Fast Records" im japanischen Restaurant "Go-Ko" in Berlin-Mitte seine neueste Produktion vor. Die Idee sei "eine fremde Kultur auf eine ganz neue Art zu präsentieren, um damit den europäisch-asiatischen Kulturaustausch voranzubringen", sagte George Lindt von Fly Fast Records. Lindt hat eine CD auf den Markt gebracht, auf der deutsche Bands ihre Songs auf Japanisch singen.

Darunter sehr bekannte Bands, wie Wir sind Helden, Die Ärzte, Stereo Total oder Einstürzende Neubauten. Insgesamt konnte das Studio vierzehn Bands überzeugen, bei dem Projekt mitzumachen. "Uns geht es nicht nur darum, deutsche Popmusik in Japan bekannt zu machen, sondern auch, die japanische Sprache in Deutschland populärer zu machen", sagte Lindt.

Doppelprojekt geplatzt

Vermutlich musste er das sagen, denn schließlich will er die Platte auch in Deutschland verkaufen, auch wenn nicht ganz klar ist, warum jemand in Deutschland deutsche Bands auf Japanisch hören sollte. Vermutlich hat das Label deshalb auch eine zweite CD beigelegt, einen Crash-Kurs Japanisch. Für den Kulturaustausch.

Ursprünglich sei ein Doppelprojekt geplant gewesen, sagte Lindt. Deutsche Bands singen auf Japanisch und japanische Bands auf Deutsch. "Hat leider nicht funktioniert. Wir haben keinen Sponsor in Japan gefunden." Also sei das Ganze nur in eine Richtung realisiert worden. Ein zweites Problem habe sich erst bei der Produktion gezeigt. Japanisch und HipHop vertragen sich nicht. Jedenfalls nicht, wenn man einen deutschen HipHop-Text ins Japanische übersetzen muss. "Wir haben das bei zwei Bands versucht, und es war einfach nicht zu machen."

Die CD wird Ende nächster Woche auf den Markt kommen. Unter anderen in Deutschland und in Japan. Ob die Japaner die deutsche Musik mögen werden, ist schwer zu sagen. "Für uns wäre es bereits ein Erfolg, wenn sich ein japanisches Label finden würde, das so etwas ähnliches mit japanischen Bands macht", sagte Lindt.

Walsong für die Walfang-Nation

Die Ironiebeauftragten des deutschen Pops jedenfalls, Die Ärzte, steuerten ihr Lied "Rettet die Wale" bei. Rettet die Wale heißt auf Japanisch "Kujira O Sukue". Der deutsche Text geht so: "Ihr habt bestimmt gerade was besseres zu tun /als zuzuhör'n/ Ihr seid bestimmt damit beschäftigt, euer Hirn völlig zu zerstör'n/ Doch diesmal ist es ernst, diesmal ist es wirklich wichtig / Passt schön auf, fahrt vorsichtig / Und rettet die Wale, und rettet die Wale!" Wie gesagt, schwer zu sagen, ob Japaner das lustig finden. Wir sind Helden hat "Von hier an blind" beigesteuert, auf Japanisch "Sa Itte Miyo", und Stereo Total ihr "Du bist schön von hinten", "Ushilo Sugata Ga Kilei".

Lindt sagte, dass es für ihn bereits ein Erfolg wäre, wenn man mit dem Projekt einen Anstoß geben könnte. Dann kündigte er drei Videoclips an, die eigens produziert worden waren. Es sollte wieder einer dieser Momente werden, die für das deutsche Image in Japan wahrscheinlich nicht so gut sind. Der DVD-Player funktionierte nämlich nicht. Es musste ein anderer herbeigeschafft werden, was eine ganze Weile dauerte. Lindt sagte, dass ihm die Sache ein bisschen unangenehm sei, und entschuldigte sich mehrmals bei den Journalisten. Die deutschen Journalisten schüttelten den Kopf.

Die Japaner lächelten.

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Quelle:
SZ vom 27.9.2007
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