2016, du Scheißjahr. Prince? Wirklich? Ist das dein Ernst? Kurz nach dem Weihnachtsfest hat dein älterer Bruder 2015 uns Lemmy Kilmister genommen. Im Januar starb dann David Bowie - unerwartet und viel zu früh. Und jetzt Prince. Mit gerade einmal 57 Jahren. Und dabei ist es erst April.
Erleben wir gerade eine Heldendämmerung des Pop? Es wird einem mulmig ums musikliebende Herz, wenn man an all die Großen denkt, die da in schneller Folge abgetreten sind. Dass irgendein Gott im Himmel gerade eine echt krasse Supergroup zusammenstellt, daran kann man so richtig auch nicht glauben. Wie bitte soll die den klingen? Prince und Bowie, okay, das geht zusammen - die beiden Gender- und Genregrenzen transzendierenden Pop-Avantgardisten. Aber Lemmy "Ace of Spades" Kilmister, der Nazi-Memorabilia sammelnde Dosenbier-Rocker?
Zum Tod von Prince:Ein Leben für den Pop
Bereits mit 17 begann Prince seine Karriere - und wurde mit seiner Mischung aus schwarzen und weißen Musiktraditionen zum Idol.
Es sind traurige Tage für den Pop. Kaum hat die Welt den einen gebührend in Texten, Tweets und Tribute-Konzerten betrauert, stirbt der nächste. Lemmy, Bowie, Glenn Frey, Maurice White, Keith Emerson und Phife Dawg. Geht das jetzt so weiter? Sterben gerade mehr Menschen oder kommt uns das nur so vor? Wer ist als nächstes dran? Leonard Cohen, Mick Jagger oder gar Dylan? 2016, wenn du das liest, ich warne dich...
Wir werden uns an die Pop-Toten gewöhnen müssen
Nicht zum ersten Mal häufen sich die Toten im Pop: Am 3. Februar 1959 starben Buddy Holly, Ritchie Valens und J.P. "The Big Bopper" Richardson bei einem Flugzeugabsturz. Der tragische Tod der jungen und aufstrebenden Rock'n'Roll-Musiker wurde bekannt als "The Day the Music Died" - und von Don McLean in "American Pie", dem lebensbejahendsten Trauersong der Pop-Geschichte, verewigt. Werden wir zurückblicken auf 2016 als das Jahr, in dem die Musik starb?
Die traurige Nachricht ist: Wir werden uns daran gewöhnen müssen. Die großen alten Helden werden langsam gebrechlich. Leonard Cohen ist 81, Bob Dylan wird in ein paar Wochen 75. Und auch Mick Jaggers Körper, obwohl durch Saft-Diäten verschlankt, ist schon 72. Doch das ist noch nicht alles.
Zum Tod von Prince:Jetzt weinen die Tauben
Ein großartiger Wahnsinn aus Pathos und Funk geht zu Ende. Der Popstar Prince ist gestorben.
Prince war 57. Das ist kein Alter. Bowie starb an Krebs, mit 69 Jahren. Und Phife Dawg von der epochalen Hip-Hop-Crew A Tribe Called Quest wurde gerade einmal 45. Warum häufen sich also nun die großen Pop-Toten - an Altersschwäche allein kann es ja nicht liegen? Wenn wir nicht an übersinnliche Mächte glauben wollen, die nichts besseres zu tun haben als uns arme Sterbliche unserer Helden zu berauben, dann muss am Ende eine große Portion Zufall dahinter stecken. Ein großer Teil sind aber wir selbst, genauer: unsere Wahrnehmung.
Große Musiker und Künstler sterben allenthalben. Und sie starben schon immer, manchmal geballt, manchmal jung. Was sich geändert hat, ist ihr Status in unserer Lebensrealität. Die Sechzigerjahre waren ein Jahrzehnt des gesellschaftlichen Umbruchs. Eine Zeitenwende und der Beginn der westlich dominierten Popkultur. Die Beatles, Dylan und die Stones - mit ihnen wurde Pop zur globalisierten und globalisierenden Massenkultur. Vor den Sechzigern waren große Künstler große Künstler. Danach waren sie globale Superstars - mit Starkult, Postern und schreienden Fans in jeder Stadt der Erde.
Wer nach 1960 zu Ruhm kam, wurde zu noch größerem Ruhm katapultiert
Wenn so jemand stirbt, merkt das die ganze, vernetzte Welt. Man muss nie einen einzigen Song von Prince gehört haben, um nach dem heutigen Tag ein Gespür für dessen Bedeutung zu haben. Die Sechziger sind so etwas wie eine Aufmerksamkeitsschwelle. Wer es danach zu großem Ruhm brachte, wurde in der wachsenden Mediengesellschaft zu noch größerem Ruhm katapultiert. Der Filmemacher Jacques Rivette starb Ende Januar. Er hat zwar die Nouvelle Vague - und damit das moderne Kino der Nachkriegszeit - mitbegründet und geprägt, aber er hat auch ein Problem: Er ist 1928 geboren. Und B.B. King? Der verstarb im vergangenen Jahr. Ohne den Blues von B.B. King keine Stones und keine Rockmusik wie wir sie kennen. Aber: Jahrgang 1925, also keine crossmedialen Trauertage.
Nach dem Tod des US-Künstlers:Was Prince dem Pop bescherte
Er lebte für die Musik, die Kunst - und inspirierte die Pop-Nachwelt in vielerlei Hinsicht.
Jacques Rivette und B.B. King - um nur zwei aus der großen Gruppe der großen verstorbenen Künstler zu nennen - bereiteten das Feld, auf dem die weltumspannende und kommerzielle Popkultur gedeihen konnte. Sie beeinflussten Männer wie Martin Scorsese und Keith Richards, deren erfolgreiche Karrieren nach 1960 begannen. Und wir können sicher sein: Wenn Scorsese und Richards eines hoffentlich sehr fernen Tages sterben, wird die ganze Welt um sie trauern.
Diese Erklärungsversuche trösten uns natürlich kein bisschen über die Verluste hinweg, den der Pop in den vergangenen Monaten ertragen musste. Aber es hilft ja nichts. Irgendwann wird unser Smartphone vibrieren und in der Push-Benachrichtigung wird stehen: Bob Dylan ist tot. Oder Leonard Cohen. So traurig es ist, an diesen Gedanken müssen wir uns gewöhnen. Andererseits - wenn Gott wirklich eine Band zusammenstellt, dann hat er jetzt drei Sänger, zwei Gitarristen und einen Bassisten. Fehlt nur noch der Schlagzeuger. Phil Collins, Charlie Watts und ihr anderen, bitte passt auf euch auf.