Süddeutsche Zeitung

Nachhaltigkeit in der Mode:Rapperin M.I.A. wirbt für Klamotten-Recyling bei H&M

Was der Modekonzern sich davon erhofft, ist klar. Aber warum macht die politisch aktive Künstlerin das?

Von Juliane Liebert

Goliath bezahlt David dafür, Steinchen auf die Philister zu werfen. So liest sich die Entstehungsgeschichte von M.I.A.s neuem Video "Rewear it". Offenbar geht das: Die englische Rapperin mit Wurzeln in Sri Lanka, einer der politischsten Popstars der Gegenwart, und der Fast-Fashion-Riesenkonzern H&M tun sich zusammen, um für das Recycling alter Kleidung zu werben. Was H&M davon hat, ist klar: Mit Werten zu werben, ist wichtig im Marketing, die Nummer nur ein logischer Schritt in dem Zirkus, in dem auch große Alkoholfirmen für "bewussten Konsum" werben. Die Frage ist eher: Was macht M.I.A. da?

Konkret dies: Nach einigen agitierenden Zitaten zu Beginn des Videos ("Wir müssen die Welt auf einen neuen Kurs bringen. Das Umweltproblem ist real") sieht man sie auf Müllstapeln in Island, Senegal und Amerika tanzen. Dazu hat H&M als Backgroundtänzer "aktuelle und künftige Social-Media-Stars" aus verschiedenen Ländern angeheuert, tanzende Diversität steht schließlich hoch im Kurs.

M.I.A. verteidigt die Aktion

Aufrufen soll das zur neu erfundenen "World Recycle Week" vom 18. bis 24. April, wo Kunden überflüssige Kleidung zwecks Recycling in H&M-Filialen bringen können - im Austausch gegen einen 15-Prozent-H&M Gutschein. M.I.A. selbst rechtfertigt die Aktion so: "Wenn das, was sie" - also H&M - "tun, andere Marken inspiriert, oder wenn H&M für ihre Fabrikprozesse kritisiert werden, ist das beides etwas Gutes." Und: "Wenigstens begeben sie sich in diesen Bereich. Das ist progressiv, und man sollte dem eine Chance geben."

Sollte man? Bei H&M sprechen wir schließlich immer noch von der Kette, die lokale Boutiquen aller Länder ruiniert, die in der dritten Welt Kinder ausbeutet, die das Konzept der Fast Fashion, deren Folgen sie zu bekämpfen vorgibt, miterschaffen hat und erfolgreich praktiziert.

Rapperin lebt von Regenwasser

Unabhängig von der Frage, inwieweit man Strukturen nutzen muss, um fortschrittliche Botschaften zu verbreiten - ist der Zweck noch ein guter, wenn der Preis ein H&M-Gutschein ist, der ja auch eingelöst sein will, für neue Klamotten, die wiederum in Bangladesch genäht wurden? So ist die Kommentarfunktion des Videos auf Youtube wohlweislich deaktiviert.

In einem Interview mit der Vogue erklärt M.I.A., sie lebe derzeit auf einer Insel, wo sie nur mit Regenwasser auskommen müsse, und einmal habe sie sogar dieselbe Jacke in zwei verschiedenen Videos getragen! In den Texten findet sich die Zeile "I don't like doing things I don't really mean", sie tut ungern Dinge, hinter denen sie nicht steht. Vielleicht ist es eine Entschuldigung, vielleicht nur ein Witz, vielleicht nichts von beidem. Es soll ja vorkommen, das man aus den falschen Gründen das Richtige tut. Oder das Falsche aus den richtigen.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2016/dowa/olkl
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