Pop:Tendenz zum Bösen

Karin Rabhansl

"Wenn die Oma das sieht, weiß ich nicht, ob die das so toll findet", sagt Karin Rabhansl über ihr neues Album.

(Foto: Katja Ruge)

Die Liedermacherin Karin Rabhansl und ihr neues Album "Tod & Teufel"

Von Christian Jooß-Bernau

Neben Trautmannsdorf beginnt der Wald, der bayerische. Im Wald, so hat ihr als Kind der Papa gesagt, da sind die Lichter: "Und wenn man allein in den Wald geht, dann holen einen die Lichter." Neblig blau verschwimmt der Bandsound im digitalen Hall, der kalt ist wie der Tod. Die Stimme der Sängerin hat keinen Körper mehr. Ein Echo von drüben: "Liachtal gloa, lang scho doad. / Sträub' de ned, wehr de ned". Die Irrlichter, es sind die Seelen der Toten. Karin Rabhansl ist als Kind doch nicht in den Wald gegangen. Die Lichter haben sie nicht geholt, und sie ist Musikerin geworden, eine Liedermacherin in bunten Ringelstrümpfen, die im Jahr 2011 mit "Mogst schmusn, mia wad's wurscht" ihr erstes Album veröffentlichte - ein bisschen frech, ein bisschen nett, ein bisschen poppig, ein bisschen folkig. So war das auf den ersten drei Alben.

"Tod & Teufel" ist anders. Und das beginnt beim Cover. Johannes Stahl, ein Comic-Künstler aus Nürnberg hat es mit einem Linolschnitt gestaltet. Karin, die Telecaster geschultert, führt einen bärtigen Gehörnten, gefesselt am Strick hinter sich her. Der Teufel trägt Halbschuhe, Karin Chucks und Ringelsocken. Nur ringeln die sich hier in Schwarz-Weiß. Die Holzschnittanmutung des Bildes wirkt wie aus einem Volkssagenband entnommen. "Wenn i doad bin" heißt der Song, zu dem Rabhansl auch schon ein Video gedreht hat. Man sieht die Karin, wie sie auf irgendeiner dieser Kneipenbühnen vor ein paar schlaffen Gestalten singt, die gleich vom Stuhl rutschen. Am Morgen, dann, klopft es im Text und im Video an der Tür. Und davor steht der Typ in Schwarz mit einem Vertrag in der Hand. Die Fuzz-verzerrten Gitarren schieben über dem Pulsen der Schlagzeug-Toms. Mit Lederjacke und E-Gitarre steht die neue Karin auf der Bühne. Zwangsläufig endet das mit einem Gitarrensolo und exzessivem Wah-Pedal-Einsatz. "Mei Karin, des is aber scho a weng krass," hat die Mama gesagt, als sie das Video zum ersten Mal sah." "Aber eigentlich," sagt Rabhansl, "findet sie es cool, dass ich mir nix scheiß' und einfach so mein Ding mach."

Spätestens seit Robert Johnson ist der Teufelspakt für moderne Unterhaltungsmusiker die süßeste Verlockung. Der Bund mit dem Bösen enthebt den Künstler des Alltäglichen, und aus der Ware Pop wird Gefahr. Rabhansl würde so einen Deal nicht eingehen. Sagt sie zumindest. Und der Teufel auf dem Cover ist immerhin gefesselt. Rabhansls Oma ist "sehr katholisch" und über 80. "Wenn die das sieht, weiß ich nicht, ob die das so toll findet", sagt sie. Irgendwann wird sie ihr das Album trotzdem zeigen müssen.

Rabhansl aber setzt, wenn es darauf ankommt, ihren Kopf durch: "Ich war lange ein bisschen ein Alien bei mir im Dorf." Nach der Banklehre ging sie nicht zur Sparkasse, sondern, 2006, für drei Jahre auf die Berufsfachschule für Musik in Dinkelsbühl. "Magst ned doch lieber was Gscheids macha?", fragten die Eltern. Heute sind sie stolz, sagt Rabhansl. Dinkelsbühl, das war für sie die Zeit des Ausprobierens und Zu-sich-selber-Findens. Angefangen hat sie mit klassischer Gitarre, hat dann noch Rock-Pop-Gesang dazugenommen. Dinkelsbühl war eine Kontaktbörse, die bis in die Gegenwart wirkt. Teile ihrer Band hat Rabhansl dort kennengelernt.

Für wenige Sekunden hört man sie auf dem neuen Album auch klassische Gitarre spielen und Schuberts "Leiermann" aus der "Winterreise" singen. Vinylknistern macht den kleinen Schnipsel zum Gruß aus einer anderen Welt. Es ist nicht der Reiz des Bösen, der dieses Album dominiert, es ist die Anziehungskraft der Abgründe, die Unentrinnbarkeit des Todes. Lange lebte die Großtante im Haus der Familie. Das Lied "Singa" auf Rabhansls vorletzten Album, ist ihr gewidmet. Die Großtante hatte Alzheimer. Karin erlebte zum ersten Mal das Verschwinden eines Menschen. "Seitdem ist das Thema für mich präsenter, weil ich gemerkt habe, es kann auch relativ schnell gehen."

"60 Watt Sonne" ist Rabhansls Coverversion der Kieler Band Keine Zähne im Maul aber La Paloma pfeifen, die hier das Verdämmern eines Menschen auf eine Weise fasst, für die Tränen nur Ablenkung wären: "Das sind also deine letzten Jahre / Wir sind froh, dass wir dich nicht verändern, einfach nur ertragen müssen." Kühl, souverän liefert die Band das Indierock-Fundament für Textskulpturen. Rabhansl singt hier, wie auf ein paar anderen Nummer hochdeutsch. So ist sie musikalisch eigentlich auch aufgewachsen. Mit dem Radiosender FM4 und Bands wie Tocotronic, Element of Crime oder Blumfeld. Hochdeutsch sei manchmal "ein bissl feiner", sagt sie. Am Ende ist es immer eine Gefühlsentscheidung, welcher ihrer Texte sich welche Ausdrucksform sucht.

Alles beginnt auf "Tod & Teufel" mit Sheryl Crow und "If it makes you happy". Den Text hat Rabhansl ins Bairische gezogen: "Bin ned des Diandl, wos ma gern dahoam herzoagt". Heimat ist manchmal auch ganz schön eng. In Wien, ihrer Lieblingsstadt, geht Rabhansl gerne über den Zentralfriedhof. Entspannend und ruhig, ja beruhigend, findet sie. Kunst sei immer ein Mittel, um zu sagen: "Wo sind denn die ganzen Monster? Jetzt lassen wir sie doch mal raus und schauen, was passiert." Der Nikolaus, er hatte seinerzeit in Trautmannsdorf einen Gehilfen, der die unartigen Kinder in den Sack steckte und in der Ilz ertränkte. Den kleinen Todesängsten der Kindheit kann man entwachsen. Karin Rabhansl hat sich mit ihrem vierten Album einer größeren Angst gestellt. Der vor sich selber. Es war ein befreiendes Gefühl, sagt sie.

Karin Rabhansl mit Band, Do., 11. Okt., 20.30 Uhr, Roter Salon, Nürnberg, Frankenstraße 200; solo am Fr., 16. Nov., 19.30 Uhr, Vereinsheim, München.

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