Pop:Rare Ware

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Die Schallplatte erlebt derzeit eine Renaissance, auch wegen des Record Store Day. Aber den kleinen Läden und Labels hilft der Trend nur bedingt. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Am Samstag ist wieder Record Store Day. Der Aktionstag wurde einst erfunden, um das Geschäft kleiner Vinyl-Plattenläden anzukurbeln. Längst mischen aber natürlich auch die großen Labels mit. Und jetzt?

Von Jan Kedves

Am Samstag werden sie wieder Schlange stehen: die Vinyl-Liebhaber, heiß auf Raritäten. Denn dann ist wieder "Record Store Day", wie immer seit neun Jahren am dritten Samstag im April. Um kleine Plattenläden zu unterstützen, bringen die Labels wieder jede Menge - diesmal: knapp 500 verschiedene - exklusive Platten heraus. Das Konzept ging in den vergangenen Jahren bombig auf, zumindest für Läden, die es sich leisten konnten, die rare Ware per Vorkasse einzukaufen: Rough Trade, der berühmte Laden in Ost-London, meldete 2014, der Record Store Day sei umsatzstärker als die Vorweihnachtswoche. Und auch Christos Davidopoulos, Geschäftsführer des 1982 eröffneten Münchener Plattenladens Optimal, bestätigt, dass an einem guten Record Store Day so viel verkauft werde wie sonst in zwei Wochen. Optimal ist einer von mehr als 200 deutschen Plattenläden, die beim Record Store Day mitmachen. Bestellt ist Ware für 15 000 Euro.

Alles gut also? Nein, es gibt natürlich Kritiker, die aber wohl gar nicht so unrecht haben, wenn sie darauf hinweisen, dass der Record Store Day im Grunde kontraproduktiv sei. Das Online-Magazin The Quietus etwa behauptet kürzlich, die meisten Menschen gingen nur noch an diesem einen Tag in den Plattenladen (was übertrieben ist) und die Hälfte der Platten werde nur gekauft, um sie später zum dreifachen Preis im Netz weiterzuverkaufen (was nicht übertrieben ist). Der wichtigste Kritikpunkt aber: Die großen Plattenfirmen Universal, Sony und Warner bringen zum Record Store Day immer mehr Neupressungen heraus. Nicht neue Musik, sondern alte Musik, nur in farbigem Vinyl. Diese Neupressungen blockieren jedoch Monate im Voraus die Presswerke. Kleine Labels kommen da mit ihren Aufträgen gar nicht mehr durch. Majorlabels verdrängen also kleine Indie-Labels, um damit kleine Indie-Plattenläden zu unterstützen?

Davidopoulos findet es "brutal", dass zum Record Store Day jetzt sogar eine Picture-Disc von Europes "Final Countdown" und eine EP von A-ha erscheint. Die habe er nicht bestellt: "Europe war damals einer der Gründe, diesen Laden hier überhaupt zu machen. Das war das ideale Hassprojekt!" Aber: "Ich wette, dass die ersten fünf Kunden, die morgen hier reinkommen, nach Europe fragen."

Was wird er ihnen stattdessen empfehlen? "Die Shaggs, drei Schwestern aus New Hampshire, die 1968 von ihrem Vater zum Geburtstag einen Studiotermin geschenkt bekamen." Das Label Light In The Attic bringt zum Record Store Day eine Shaggs-Doppelsingle heraus, mit zwei bislang unbekannten Songs aus der obskuren Studiosession: "Sweet Maria" und "The Missouri Waltz". Auflage: 3000 Stück. Davidopoulos hat zehn Exemplare bestellt und ist froh, wenn er fünf geliefert bekommt.

Nicht berühmt, aber legendär wurden die Shaggs mit ihrem rumpelig gerockten Song "Philosophy Of The World", in dem sie - sinngemäß übersetzt - sangen: "Alle Reichen wollen das, was die Armen haben. Alle Armen wollen das, was die Reichen haben. Alle Dünnen wollen das, was die Fetten haben", und so weiter. Jeder will immer genau das, was er gerade nicht hat. Vor allem am Record Store Day.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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