Pop: Prince-Album "Planet Earth":Prince an Erde

Das neue Album "Planet Earth" gibt es als Dreingabe zur Sonntagszeitung, und bald will Prince seine CDs sogar auf Konzerten verschenken. Die Plattenindustrie tobt, doch er kann es sich leisten.

Andrian Kreye

Es gibt keine schlechte Princeplatte. Es gibt größenwahnsinnige, konfuse, halbherzige und sogar mittelmäßige Alben von Prince Roger Nelson, der lange Jahre unter dem Kürzel Tafkap (The Artist Formerliy Known As Prince) firmierte, weil dem Medienkonzern Warner Brothers die Rechte an seinem eigentlichen Künstlernamen gehörten. Aber selbst eine so flüchtig produzierte Platte wie sein Warner-Abschiedsalbum "Chaos and Disorder" oder ein so trotzig planloses Mammutprojekt wie das drei-CD-Set "Emancipation" haben mehr musikalischen Biss, als so manches Gesamtwerk der Popgeschichte.

Popstar Prince in New York

Immer stylish: Der rosa Anzug sitzt perfekt und macht jede Verrenkung mit...

(Foto: Foto: AP)

Die Tatsache, dass er nun mit "Planet Earth" ein im Vergleich zu seiner eigenen Arbeit marginales Album vorlegt, auf dem er sich lustlos an gängige Genremuster anbiedert, banale Texte zu Nachrichtenthemen wie Klimawandel formuliert und erst in der zweiten Hälfte zu gewohnter Größe aufläuft, ist keineswegs ein Fall von Formschwäche. Es handelt sich hier vielmehr um ein Triumphgeheul von pophistorischer Bedeutung. Denn was uns Prince in Wahrheit sagen will ist: Der Tonträger spielt im Popgeschäft keine Rolle mehr! Und auch wenn das nicht sein Verdienst ist, sondern lediglich Zeichen der Zeit und der technologischen Entwicklung, ist es für den heute 49-Jährigen ein furioser Sieg nach einem rund zwölfjährigem Kampf gegen die Plattenindustrie.

Prince kann sich die Siegerpose leisten. Finanziell, weil er schon lange nicht mehr auf Einnahmequellen aus der Tonträgerindustrie angewiesen ist. Musikalisch sowieso, denn solange er einer der letzten Superstars ist, der mit einem einzigen Akkord ein ganzes Fußballstadion zu frenetischem Jubel treiben kann, ist die Studioarbeit letztlich nur die Pflicht, um das Material für die Kür auf der Bühne zu erarbeiten. Nun war seine Geste, "Planet Earth" noch vor dem Erscheinungstermin als Beigabe der englischen Zeitung Mail On Sunday beizulegen zu lassen und demnächst gratis an die Besucher seiner Konzerte zu verteilen noch Kalkül.

So kommt er in Zeiten, da man nur noch einen Bruchteil der CDs absetzen muss, wie noch vor zehn Jahren, um in die Hitparaden einzusteigen, mühelos in die Top Ten. Das hat er vor drei Jahren schon einmal und sehr erfolgreich vorexerziert, als er auf seiner Tournee jedem Konzertbesucher am Halleneingang eine schlicht bedruckte Papphülle mit seinem Album "Musicology" in die Hand drücken ließ. Der neue Coup, mit der Zeitungsbeigabe gleich über zwei Millionen CDs unter die Leute zu bringen, ist ein solch grandios arroganter Affront, dass die Lieblosigkeit, mit der er "Planet Earth" verpackt hat (kein Booklet, keine Texte, keine Information zu den Musikern, nicht einmal eine Songliste) schon wirkt, als wolle er nachtreten.

Prince wird es nicht weiter stören

Die so geschmähte Plattenindustrie schluckt solche Ohrfeigen nicht ohne Widerstand. Vor drei Jahren zog man vor Gericht, um zu erreichen, dass die verschenkten Platten nicht mehr für die Hitparadenplatzierung zählen. Nun überlegen die britischen Plattenhändler, ob sie "Planet Earth" einfach nicht anbieten.

Prince wird es nicht weiter stören. Vom 1. bis zum 21. August wird er im rund 20 000 Zuschauer fassenden Millenium Dome 21 ausverkaufte Konzerte geben. Das sind selbst beim demokratisch niedrigen Einheitspreis von 31,21 englischen Pfund (eine Anspielung auf sein letztes Album "3121") noch rund 20 Millionen Euro Umsatz in drei Wochen. Dazu kommen Nebeneinnahmen durch den Verkauf von T-Shirts und Souvenirs, sowie Tantiemen aus Radio und Fernsehen, die erwartungsgemäß viel Prince spielen werden.

Genregrenzen erfolgreich ignoriert

Was die Besucher der Konzerte erwartet ist absehbar. Auch wenn seine Platten heute längst nicht mehr die Bedeutung haben, wie in den achtziger und neunziger Jahren, so ist Prince doch zu einem der besten Livemusiker gereift, der je eine Bühne betreten hat. Er kann die Massen mit seinen scharfen Gitarrenakkorden und seinem inbrünstigen Halbfalsett buchstäblich elektrisieren, versteht es, immer wieder Musiker wie den Saxofonisten Maceo Parker, die Perkussionistin Sheila E. oder das Duo Wendy & Lisa um sich zu scharen, die der ekstatischen Qualität seiner Musik gerecht werden, die Genregrenzen ja schon von Anfang an ignorierte.

Live werden auch mittelmäßige neue Stücke wie "Planet Earth" oder "Guitar" an Format gewinnen. Und wenn man auf dem Album das laszive "Mr. Goodnight", die treibende R'n'B-Session "Chelsea Rodgers" oder klassische Prince-Harmoniefolgen wie auf "Somewhere Here On Earth" oder "Lion Of Judah" hört, weiß man, dass der Mann auch trotz seines viel geschmähten neuen Glaubens nichts an Erotik und Biss verloren hat.

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