Pop-Musik:Musik wie ein flüchtiger Kuss

Pop-Musik: Kowalskis Schirmmütze haben ihm Freunde zum Abschied aus Hamburg geschenkt. Er hat sie seitdem nicht mehr abgesetzt

Kowalskis Schirmmütze haben ihm Freunde zum Abschied aus Hamburg geschenkt. Er hat sie seitdem nicht mehr abgesetzt

(Foto: Pepper Levain)

Malakoff Kowalski ist nicht nur der aktuelle Über-Hipster von Berlin. Auf seinem neuen Album "I Love You" macht er auch wunderbar leichte Liebeslieder. Eine Begegnung in Berlin.

Von Jan Kedves

Ich wollte mich nicht länger wie ein Schlumpf fühlen", sagt Malakoff Kowalski, wenn man ihn fragt, was man eigentlich alle Popstars fragen sollte: Wie bist du zum "Typ" geworden? Zum Popstar-Sein gehört ja nicht nur Musik, sondern auch Habitus, Performance und vor allem: Look. Kowalski ist definitiv solch ein "Typ", auch wenn er vielleicht noch kein richtiger Popstar ist.

Als er einmal neben einem italienischen Freund gestanden habe, der einen wahnsinnig guten Stil hat, sei er sich im Vergleich dazu plötzlich ganz mies gekleidet vorgekommen, erzählt Kowalski, während er sich in einem Café am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz Glenmorangie-Whisky bestellt. Seitdem trage er nur noch schwarze Lederstiefeletten ("ohne Ludenabsätze"), enge Anzughosen mit kurzem Bein ("weil man sonst auch Bankangestellter sein könnte"), weiße gebügelte Hemden. Und eben diese Käpt'n-mäßige Prinz-Heinrich-Schirmmütze, die ihm von Freunden zum Abschied geschenkt wurde, als er 2007 von Hamburg nach Berlin ging. Sie sollte ihm Glück bringen, und er hat sie seitdem nicht mehr abgesetzt.

Malakoff Kowalskis neues Album heißt "I Love You", aber wie stets ging auch diesmal sein Look seiner Musik voraus. Nicht nur im Berliner Stadtbild, wo Kowalski, der bürgerlich Aram Pirmoradi heißt und 1979 in den USA geboren wurde, irgendwie immer an den richtigen und wichtigen Ecken herumzustehen scheint, auf Vernissagen, in Bars, auf Konzerten, sondern auch in Köln und Hamburg, wo er in den letzten Jahren unter anderem als Bühnenmusiker und Mitschauspieler in Theaterabenden von Angela Richter zu sehen war, zuletzt im Whistleblower-Abend "Supernerds" am Schauspiel Köln.

"Wilder, professioneller und sehr eleganter Raver"

Demnächst wird er auch im Kino zu sehen sein: In Helene Hegemanns Eigenverfilmung von "Axolotl Roadkill" hat er eine kleine Rolle als "Kleingangster, der für Oliver Polak arbeitet. Der hat eine Zoohandlung, in der er aber eigentlich Drogen vertickt".

Ja, man könnte wohl sagen, dass Malakoff Kowalski ein "Hipster's Hipster" ist, ein Überhipster unter den neueren und altgedienten deutschen Kultur-Hipstern. Hegemann, mit der er gut befreundet ist, schwärmt, Kowalski sei das "Paradebeispiel für das gleichzeitige Aufrechterhalten von totaler Anarchie und totaler Tradition", jemand, der zwar "jeden Tag passioniert mit zwei verschiedenen Schuhcremes seine Stiefel poliert", ansonsten aber ein "wilder, professioneller und sehr eleganter Raver" sei.

Komisch, dass Klaus Lemke, der große Cowboy des deutschen Films, ihn bislang noch nicht vor die Kamera geholt hat. Seit 2008 arbeiten die beiden zusammen. Kowalski hat für mehrere Lemke-Filme die Musik geschrieben, unter anderem für "Berlin für Helden". "Bombougie" nennt Lemke Kowalski, was in jamaikanischem Slang liebevoll für "Heiratsschwindler" steht.

Sein neues Album "I Love You" ist hip und trotzdem gediegen

Mit seinem neuen Album "I Love You" könnte Kowalski nun die Funktion übernehmen, die bislang Chilly Gonzalez mit seinen "Solo Piano"-Alben seit zehn Jahren erfüllt hat: Musik für Angelegenheiten zu liefern, wo es hip, aber auch ein bisschen gediegen zugehen soll. Als "bisschen russisch, bisschen romantisch, fast klassisch" bezeichnet Kowalski seine elegischen Klavierkompositionen, die aber nur die halbe Miete sind, denn Kowalski singt auch - reizend luftige Liebeslieder zu Gitarre.

Als er das Album Ende vergangener Woche während der Berlin Art Week in einem Restaurant in Tiergarten vorstellte, sich selbst mal mit einem leicht verstimmt belassenen Klavier, mal mit akustischer Gitarre, mal mit Rhodes-Piano begleitete, saßen im Publikum Inga Humpe, Nikolai Kinski, Anne Philippi und hielten Händchen. Schwindsüchtige Models sackten ohnmächtig in die Arme ihrer hübschen Boyfriends, und weil es ein intimer Rahmen war und der kurze Auftritt so gut wie unverstärkt, und weil manche im Gedränge trotzdem immer noch plauderten, fing im Publikum ein Zischen an: "Du hysterische Dorftrutsche!" - "Was hast du denn für eine bittere Problematik, du kleine vertrocknete Rosine?"

Nein, das war nicht nett, vor allem war es nicht in Einklang zu bringen mit der Zartheit der Musik, die Kowalski da spielte. "Sie soll sich anfühlen wie eine Umarmung, wie ein flüchtiger Kuss", sagt er und spricht von den fast unhörbaren Nebengeräuschen, die Musikaufnahmen Charakter geben. Pedale, Tasten, Anschlagsgeräusche - all das sei wichtig.

Er selbst sei jemand, der sich nächtelang durch die riesige Klassik-Datenbank von Spotify klicken könne, auf der Suche nach der einzig wahren Einspielung von Beethovens Hammerklavier-Sonate. Die von Brendel nerve ihn, auch wenn alle sie für die Referenz hielten. "Und dann höre ich die von Gulda - die rauscht und ist alt, aber er spielt diese zwei Töne an dieser einen Stelle wirklich genau so, wie ich mir das wünsche."

Ziemlich viele Legenden in nur 39 Minuten

Umso stolzer ist Kowalski, dass sein neues Album - nach dem rein instrumentalen "Kill Your Babies" 2012 auf dem Independent-Label Buback - nun auf MPS erscheint, dem legendären deutschen Jazzlabel, auf dem nicht nur Größen wie Dave Pike, Oscar Peterson und Baden Powell veröffentlichten, sondern eben auch Friedrich Gulda. MPS (Musik Produktion Schwarzwald) wird gerade reanimiert, nachdem die Edel AG die Markenrechte und den Backkatalog gekauft hat.

Neuer Leiter ist der ebenfalls ziemlich legendäre Christian Kellersmann, der früher Saxofon bei der Neue-Deutsche-Welle-Band Die Zimmermänner spielte und dann lange Chef der Abteilung "Jazz & Classics" bei Universal war, wo er unter anderem die Klassik-Remix-Reihe "Recomposed" ins Leben rief.

Ziemlich viele Legenden für ein mit 39 Minuten Laufzeit ziemlich kurzes Album? Aber die 15 aparten Pop- und Instrumental-Miniaturen auf "I Love You" haben enormen Charme - zum Beispiel "Carcosa", eine Überschreibung von "I Feel Pretty" aus Leonard Bernsteins "West Side Story", zu dessen Melodie Kowalski genau an der Stelle, wo Maria im Original davon singt, schön, gewitzt und schlau zu sein, singt: "I am a black sheep" - "Ich bin ein schwarzes Schaf." Das klingt ein bisschen traurig, aber auch sehr stolz.

Kowalskis Eltern sind persische Bahai, die Ende der Siebziger vor der Islamischen Revolution aus Iran nach Boston flohen und kurz darauf nach Hamburg weiterzogen, wo Kowalski aufwuchs. Wenn er heute, als Inhaber eines amerikanischen Passes, in die USA reisen will, um seine Freundin, eine Anwältin aus Los Angeles, zu besuchen, kann es passieren, dass er an der Grenzkontrolle in Amsterdam stundenlang festgehalten und verhört wird.

Pop-Musik: Geboren im Iran, geflohen vor Chomeini, wohnhaft in Berlin: Malakoff Kowalski.

Geboren im Iran, geflohen vor Chomeini, wohnhaft in Berlin: Malakoff Kowalski.

(Foto: Phyllis Fairfax)

Kowalski scheint das zu amüsieren. Als biete sich so die Gelegenheit, die grimmige Mimik der Grenzbeamten mit ausgesuchter Freundlichkeit zu kontern, um sich am Ende mit den Worten in Richtung Flieger zu verabschieden: "Sie müssen sehr viele interessante Menschen kennenlernen!"

Kowalskis Melodien gehen im Kopf weiter

Auffallend bei den Stücken auf "I Love You" jedenfalls: Sie walzen ihre Ideen nicht aus, die Melodien sind auf Kinderlied-Schlichtheit reduziert, könnten problemlos ausgeschmückt oder verlängert werden. Darin liegt durchaus eine eigene Erotik - ein Teasing sozusagen, denn die Melodien gehen im Kopf noch weiter.

Kowalski freut sich, wenn Hörer es so sehen - und erzählt von einem Kollegen, mit dem er früher in Hamburg in einer Band spielte. Der habe am Morgen, wenn es mal wieder eine lange Nacht mit Alkohol und schönen Frauen war, manchmal gefragt: Und Kowalski, hast du die Melodie zu Ende gespielt?

In der Musik sei es manchmal ganz gut, die Melodie eben nicht zu Ende zu spielen. Sagt er, trinkt seinen Whisky aus und wickelt sich zum Abschied in ein schwarz-weiß gestreiftes Woll-Cape, das - wie die Mütze, wie der gesamte Typ - natürlich schwer popstarmäßig aussieht.

Anmerkung der Redaktion: Aus urheberrechtlichen Gründen musste das Video "Take some abuse" leider entfernt werden. Wir bedauern dies.

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