Pop-Musik:Lebe schnell, stirb jung, und kümmere dich nicht um die Rechte

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Nach 50 Jahren erlischt das Copyright von Pop-Songs. Für Stars wie Cliff Richard, die Stones oder U2 ist es bald so weit.

Von Karl Bruckmaier

Wer nach braver Rock'n'Roll-Manier gestorben ist, bevor er alt wurde, der muss sich nun nicht grämen, dass mit seinen Liedern ein garstig Spiel getrieben wird. Wer aber wie Cliff Richard, Britanniens frömmelnde Antwort auf Elvis Presley, den Tag nahen sieht, an dem sich nach europäischem Recht sein Besitz an Aufnahmen wie "Move It" oder "Living Doll" in Rauchringe auflöst, die im Moment ihres Verschwindens noch an Paragraphenzeichen gemahnen, dem wird kalt ums noch schlagende Herz.

Die Geprellten von gestern: die Rolling Stones. (Foto: Foto: AP)

Fünfzig Jahre - so lange sind diese Rechte an Aufnahmen geschützt - schienen einst eine so endlose Zeitspanne zu sein. Vorbei und verflogen sind sie für die singenden Lockenträger der ersten Stunde. Der Geldquell versiegt, als hätte jemand den Wasserhahn aus der goldenen Badewanne gerissen.

Griff in die Schatzkästlein

Europas etwas in die Jahre gekommenen Rock-Interpreten wie Status Quo oder U2 rufen nun lauthals nach Schutz vor so viel Ungerechtigkeit und verweisen auf die USA, wo sich im Lauf der Zeit das Lobbying der Künstler dergestalt bezahlt gemacht hat, dass die gleichen Rechte erst nach 95 Jahren verfallen, in einer Zeitspanne also, die selbst nach Nicht-Rock-Maßstäben als reichlich bezeichnet werden darf. Bleibt abzuwarten, ob in Europa die freundschaftliche Nähe verschiedener Pop-Musiker zu den Schröders und Sarkozys dieser Hemisphäre ähnliches vermag.

Große wie kleine Schallplattenfirmen dürften die Erosion des Copyrights mit einem lachenden und einem weinenden Auge verfolgen. Zwar sind die Tage nicht mehr fern, an denen die Singles und Alben von Chuck Berry, Elvis Presley, den Beatles oder The Who nicht mehr geschützt sind, aber der ungehinderte Griff in die Schatzkästlein der Konkurrenz ist nun ebenfalls möglich; ein beliebiges frei gewordenes Album mag dann vielleicht nicht mehr im Original-Cover erhältlich sein - was auch immer das heißt in Zeiten von zwergenhaften CD-Booklets - dafür kommt es spottbillig in die Verkaufsständer an Tankstellen und Supermarktkassen. Dort, wo heute Klassik-CDs für zehn oder zwanzig Euro das Pfund angeboten werden, finden wir demnächst eben "Die Goldenen Jahre des Rock'n'Roll oder "Beat, Beat, Beat". Oder das Album steht als schmucke MP3-Datei ungeschützt und kostenlos zum straffreien Download im Netz.

In Schweinsleder gebundenes Protestgut

Die Geprellten werden jene Künstler wie Cliff Richard sein, die sich oft genug in langjährigen Auseinandersetzungen mit ihren ehemaligen Plattenfirmen die Rechte an ihren Songs und deren Interpretation zurück erobert haben und deren Nutzung der wieder gewonnenen Eigentumsrechte deutlich kürzer ausfällt als besagte fünfzig Jahre.

Und die Geprellten von gestern, die Rolling Stones etwa, deren gesamter 60er-Jahre-Fundus seit 35 Jahren im Besitz des Anwalts Allen Klein ist, haben so oder so nichts von den alten Fassungen ihrer frühen Hits. Allen Klein und seine Tochter machen übrigens vor, wie man sich auf das Ende der fetten Jahre vorbereitet: immer neue Compilations, Sonderausgaben zu Jahrestagen, edle Album-Editionen im klanglich deutlich verbesserten SACD-Format, in Schweinsleder gebundenes Protestgut der heiligen 68er Zeit - das Ende mag nahe sein, aber für den Geschäftstüchtigen ist es noch nicht gekommen.

© SZ vom 12.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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