Pop:Einfach mal kraulen lassen

Lesezeit: 2 min

Die "Türen" sind die lustigste kluge Band der Welt. Und die klügste lustige Band der Welt. Jetzt erscheint ihr famoses neues Album "Exoterik".

Von Martin Pfnür

Die immens humorbegabte Berliner Band Die Türen um Sänger und Texter Maurice Summen hat im Laufe ihres siebzehnjährigen Bestehens schon so einige irre Wandlungen hingelegt - und das nicht nur musikalisch.

Da wäre etwa die Geschichte ihres überdrehten Debütalbums "Das Herz war Nihilismus", für das sich damals kein Label interessieren wollte. Also hob man kurzerhand einfach selbst eines aus der Taufe. Und siehe da: Heute ist eben dieses Label namens "Staatsakt" unter Summens Leitung die wichtigste Anlaufstelle für smarten deutschsprachigen Indiepop. Hamburger-Schule-Legenden wie Die Sterne oder Mockumentary-Quatschköpfe wie Fraktus sind hier mittlerweile ebenso zu Hause wie eine erlesene Auswahl jüngerer Bands wie Ja Panik, Isolation Berlin oder auch International Music, deren Debüt vom Musikexpress jüngst zum Album des Jahres 2018 gekürt wurde.

Kein Wunder also, dass Die Türen selbst als Haus- und Hofband des Labels mit einer künstlerischen Freiheit gesegnet sind, die sie auf jedem ihrer Alben genüsslich nutzen.

So wiesen sie auf "Unterwegs mit Mother Earth" mit fein elektrifiziertem Pop und elastischem Funk vor Jahren schon dem Sound der grandiosen Wiener Band Bilderbuch den Weg; loteten mit supermelodischem Indie-Pop und dem hintersinnigen Witz von Songs wie "Pause machen geht nicht" auf "Popo" das ewige Spannungsverhältnis zwischen Arbeit und Freizeit aus; widmeten sich in ihrer Inkarnation als Der Mann mit dem Konzeptalbum "Wir sind der Mann" der Rolle desselben im 21. Jahrhundert; oder brachten zusammen mit Jens Friebe und Christiane Rösinger, die ebenfalls zur Staatsakt-Label-Familie zählen, in Form von "Der Spielmacher" ein musikalisches Fußball-Theaterstück als "Fussical" auf die Bühne.

"Heute ist Welthundetag / Und wir gehen in den Park" - die Berliner Indie-Pop-Band "Die Türen". (Foto: Markus C. Fiedler/Staatsakt)

Mit anderen Worten: Es gibt wenig, was für die Türen nicht möglich wäre. Und trotzdem: Ein Monster-Album wie jetzt das knapp zwei Stunden lang in freiester, gerne auch mal rein instrumentaler Krautrock-Manier dahinfließende "Exoterik" hätte man dann doch nicht wirklich erwartet. Fünf Tage lang quartierte sich die mittlerweile mit Andreas Spechtl von Ja, Panik erweiterte Band dafür in der Augusthitze des vergangenen Jahres im brandenburgischen Ringenwalde ein, um dort in einer ehemaligen Schule aufzunehmen. Vorbereitet hatten sie nichts. Keine Songs. Keine Texte. Nichts. Nicht mal erste Ideen. Eine Art "geplante Jam-Session" sei es gewesen, erzählt Summen. "Alles ist dort beim gemeinsamen Spielen entstanden, auch die Texte. Danach hatten wir sechs Stunden Musik, die wir auf knapp zwei Stunden zusammengeschnitten haben."

Eben hier, an den strengen Schnitt der ausgewalzten Jams, schließt auch der philosophische Überbau an, den Die Türen ihrer zweistündigen "Exoterik" bedeutungsschwanger anbei stellen. Als "Exoterik" wurden in der Philosophie einst etwa die philosophischen Schriften von Aristoteles bezeichnet, die sich an die Allgemeinheit richteten. Die Esoterik wiederum ist dementsprechend das einer Lehre, was dem inneren Kreis der Jünger eines Meisters vorbehalten bleibt.

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Was auf "Exoterik" nun von den Türen nach außen darf, ist am Ende natürlich deutlich weniger prätenziös, als es der philosophische Exkurs vermuten lässt: Es sind überwiegend sehr schön komische, aufs absolute Minimum verknappte Mantras.

Verpackt als Einblicke in die Hundeperspektive ("Heute ist Welthundetag / Und wir gehen in den Park / Lassen uns kraulen / Hundeseele baumeln"), als bündig zusammengefasste Künstlernöte ("Miete Strom Gas"), als Demonstration erstaunlich vielfältiger Phrasierungsmöglichkeiten des Wortes "Oma", oder aber auch einfach als Krisensymptome aller Art ("Keine Zeit, keine Liebe, kein Glück") .

Herrje, großer Gaga-Spaß, das muss man erst mal irgendwie so spielerisch zusammengesponnen bekommen. Den Türen gelingt's aber natürlich wieder mal vorzüglich.

© SZ vom 25.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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