Süddeutsche Zeitung

Pop:Joanna Newsom

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Quasi im Alleingang hat Joanna Newson die Harfe in den Pop eingeführt. Nach fünf Jahren veröffentlicht sie endlich wieder ein Album.

Von Jan Kedves

Fünf Jahre lang hörte man wenig von Joanna Newsom, die kalifornische Sängerin und Harfenistin, die quasi im Alleingang die Harfe zum Popinstrument machte. Beziehungsweise: Nach "Have One on Me", ihrer letzten LP, versuchte sich die 33-Jährige als Schauspielerin: Sie trat in "Portlandia" auf, der TV-Serie, in der die schratig-alternativen Bewohner der Öko-Hochburg Portland karikiert werden. Und letztes Jahr war sie in "Inherent Vice" zu sehen, Paul Thomas Andersons Verfilmung des gleichnamigen Pynchon-Romans. Zog es Newsom vor die Kamera, weil sie seit 2008 mit dem Comedian Andy Samberg ("Saturday Night Live") liiert und seit zwei Jahren mit ihm verheiratet ist? Möglich. Jetzt jedenfalls ist endlich ein neues Album von ihr erschienen: "Divers" (Drag City), ein Meisterwerk voller recht kryptischer Texte und verschlungener, bezirzender Melodien. Der Titelsong - Newsom spielte ihn erstmals 2012 in San Francisco bei einem gemeinsamen Konzert mit dem Komponisten Philip Glass - ist zunächst der zugänglichste: In ihm imaginiert sie sich als Frau eines Perlentauchers. Die Liebe ist so unergründlich wie der Pazifik. Doch der Albumtitel lässt sich eben nicht nur mit "Taucher" übersetzen, er spielt auch auf "diverse" an, also auf Abwechslung und Ideenfülle. Tatsächlich schaukelt einen "Divers" durch verschiedene Affekte und Instrumentierungen - man hört nicht nur Orchester, Klavier und die schöne Harfe, sondern auch Mellotron, Clavichord und sogar das exotische Marxophon, ein zitherartiges Perkussionsinstrument mit Stahlfedern und Metallklöppeln. Es klonkt, bingt und zirrt auf diesem Album aufs Schönste, und Newsom hat sich auch das leicht Kieksige in ihrem Gesang bewahrt. Mehr als einmal fühlt man sich an die frühe Kate Bush erinnert, doch "Divers" ist keine Kopie - zum Beispiel, wenn es dann plötzlich völlig unpeinlich nach Country klingt. Herrlich!

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Quelle:
SZ vom 24.10.2015
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