Pop:"Jihad" im Bataclan?

Der Rapper Médine, der sein Album "Jihad. Der größte Kampf ist gegen dich selbst" nannte, will im Bataclan auftreten. Das sorgt für Empörung.

Von Nadia Pantel

Innerhalb weniger Tage hat Médine Zaouiche es geschafft, zum umstrittensten Musiker Frankreichs zu werden. Der Grund sind seine zwei geplanten Konzerte im Pariser Bataclan Mitte Oktober. Schon als Kind habe er davon geträumt, im Bataclan aufzutreten, "wo die Deko Rokoko ist", textet der Rapper auf seiner neuesten Single. Das Problem ist allerdings, dass Médine, der unter seinem Vornamen auftritt, kein Kind mehr ist und dass das Bataclan nicht mehr für die opulente Ausstattung seines Konzertsaals bekannt ist, sondern für das Massaker am 13. November 2015, bei dem drei islamistische Terroristen 90 Konzertbesucher töteten. Will man es neutral formulieren, dann ist das ein komplexer Veranstaltungsort für jemanden, der rappt, dass man "Laizisten kreuzigen" solle. 2005 veröffentlichte Médine "Jihad. Der größte Kampf ist gegen dich selbst" und im Januar 2015, kurz bevor zwei Terroristen die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo stürmten, kam sein Song "Don't Laïk" mit besagter Kreuzigungszeile heraus.

Es ist unklar, ob die Programmverantwortlichen des Bataclan dachten, dass Médines Auftritt nur als ein Konzert unter vielen aufgenommen würde, sie äußern sich nicht. Dafür melden sich Frankreichs Rechte zu Wort. Das Konzert sei eine "Schande für Frankreich", sagt Laurent Wauquiez, Vorsitzender der Republikaner. Und Marine Le Pen, ehemals Front National, jetzt Rassemblement National, nennt Médine einen "Anstifter des fundamentalistischen Islamismus". Beide Parteien fordern, dass das Konzert verboten wird. Médine sieht in der Kritik einen Versuch der "Rechtsextremen, die Meinungsfreiheit einzuschränken", wie er auf Facebook schrieb.

Tatsächlich ist es zu einfach, den Rapper zum gewissenlosen Provokateur zu erklären. Sein Album "Jihad" ruft nicht dazu auf, für seinen Glauben zu den Waffen zu greifen, sondern erinnert daran, dass man vor allem versuchen sollte, selbst ein besserer Mensch zu werden. Seinen Song "Don't Laïk" sieht der Musiker inzwischen selbst kritisch. Er habe darüber sprechen wollen, wie die Trennung von Kirche und Staat instrumentalisiert werde, um Muslime zu stigmatisieren. Doch er sei "zu weit gegangen", sagte er im März 2017. Médines Texte haben oft ein politisches Anliegen, er tritt dabei als Kämpfer für die Einwandererkinder in den Vorstädten auf. In konservativen Kreisen werden seine Texte oft als anti-französisch bewertet. Médine hält mit seiner Familiengeschichte dagegen. Als "Enkel von Marcelle und von Mohammed" habe er algerische und französische Wurzeln und könne sich gar nicht auf die eine oder die andere Seite der Geschichte schlagen.

Die Frage bleibt, ob man den Überlebenden des 13. November zumuten muss, sich damit auseinanderzusetzen, was genau ein Rapper nun meint, wenn er "Jihad" auf ein Cover schreibt.

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