Verstorbener Sänger:David Bowie - Kostüm-Chamäleon

David Bowie, 1973

Mann? Frau? Überirdisches Wesen? David Bowie überzeugte in allen Kostümierungen (Bild aus dem Jahr 1973).

(Foto: imago/ZUMA/Keystone)

Transe, Dandy, Alien - an David Bowie wollte einfach nichts lächerlich aussehen. Mit ihm ist einer der großen Style-Weisen gegangen.

Von Jan Kedves

David Bowie sah wahnsinnig gut aus, und das wusste er auch. Ihm war aber auch klar, dass das vermutlich nicht reichen würde, beziehungsweise: dass gutes Aussehen allein eben auch irgendwann langweilig wird. Als 16-Jähriger hatte er einige Monate in einer Londoner Werbeagentur gearbeitet, und spätestens während seines Kunst- und Designstudiums hatte er dann wohl verinnerlicht, dass zu einem erfolgreichen, interessanten Produkt immer auch das Äußerliche gehört: die Modellpflege, der in Zyklen erwartbar vollzogene und dann doch überraschende Relaunch.

So wurde David Bowie zu einem der ersten männlichen Popstars, die den konstanten visuellen Wechsel zum Prinzip erhoben. Das machte ihn, das Chamäleon, zur Blaupause und zum nahezu unerschöpflichen Zitat-Reservoir für nachfolgende Popstars wie Madonna, Björk, Lady Gaga.

Sicher, die vom Londoner Victoria & Albert-Museum 2013 zusammengestellte und weltweit durch die Museen tourende Retrospektive "David Bowie is . . ." mochte Schwachstellen haben, man fühlte sich in ihr auch arg wie in einer Geisterbahn. Und doch führte die Schau hocheindrucksvoll die Outfits, Frisuren und Looks vor Augen, die der 1947 als David Robert Jones in Brixton geborene Künstler für seine David-Bowie-Persona und die auf ihr wiederum aufbauenden Spin-Offs entwickelte: Ziggy Stardust, Thin White Duke, und so weiter.

Er trug alles mit bombigem Selbstvertrauen

Extrem ikonisch etwa: das Avantgarde-Weltraum-Samurai-Kostüm aus schwarzem Vinyl, das sich Bowie 1973 vom japanischen Designer Kansai Yamamoto schneidern ließ. Oder: Bowie als pastelliger Harlekin, in der "Ashes to Ashes"-Zeit, 1980. An ihm wollte einfach nichts lächerlich aussehen, was wohl damit zu tun hatte, dass er alles mit bombigem Selbstvertrauen trug, oder mit "einer gewissen psychischen und spirituellen Stärke". So beschrieb es Nagisa Ōshima, der japanische Regisseur, in dessen "Furyo - Merry Christmas, Mr. Lawrence" Bowie 1983 mitspielte.

Diese psychische und spirituelle Stärke erlaubte es Bowie, völlig entspannt die Transe, den Dandy und das Alien zu spielen. Oder den zerschossenen Feldherr: Als er in den Neunzigern an seinem stark von Clubkultur und dem Musikstil Drum & Bass beeinflussten Album "Earthling" arbeitete und es auch hier wieder um einen optischen Relaunch ging, rief er Alexander McQueen an, damals das Enfant terrible der britischen Mode. Von ihm ließ sich Bowie einen Mantel aus löchrigen, angekokelten Union Jacks schneidern. Und auch sonst verstanden sich die beiden prächtig.

"Also, bist du schwul und nimmst du Drogen?"

Als Bowie den Designer im November 1996 für das englische Magazin Dazed & Confused interviewte, wirkte es geradezu, als würde er mit einer jüngeren Version seiner selbst reden: "Also, bist du schwul und nimmst du Drogen? McQueen: "Klar, beides!" Großes Gelächter.

Und noch auf den letzten Pressebildern, die Bowie von sich herausgab (auf ihnen hätte man den Krebs wohl schon erkennen können, hätte man genauer hingeschaut), bewies Bowie enormes Stilbewusstsein. Ein 68-jähriger Mann, der ein Football-Shirt trägt wie ein Rapper? An anderen hätte das nur schrill ausgesehen, bei Bowie war es der Beweis, dass er noch auf der Höhe war.

Das Shirt, mit schwarzem Sternenkranz um den Hals und einer großen 7 auf dem Ärmel, mochte vielleicht von Hood By Air sein, dem ultrahippen New Yorker Label für Straßen-Couture - nie von gehört? Bowie kannte es, garantiert. Oder ein Entwurf von Riccardo Tisci, dem stark an der Hip-Hop-Kultur und ihren Stars orientierten Givenchy-Designer? (Google bestätigt: Givenchy.)

Noch kurz vor seinem Tod kuratierte Bowie seinen eigenen Abschieds-Look

Dass Bowie im vollen Bewusstsein seines nahenden Todes noch seinen eigenen Abschiedslook kuratierte, dass er mit dem englischen Designer Paul Smith, mit dem er befreundet war, noch ein letztes Merchandise-T-Shirt herausgab (ebenfalls mit Stern), und dass er dann noch - als allerletzte visuelle Entscheidung - verfügte, dass die B-Seite der Vinylpressung seines am Freitag erschienenen "Blackstar"-Albums komplett schwarz zu bleiben habe, keine Schrift, kein Tschüss - unfassbar.

In ihm ist nicht nur einer der wichtigsten Popkünstler gegangen, sondern einer der großen Style-Weisen dieser Zeit.

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