Pop:"Ich fühle mich wie 38"

Lesezeit: 3 min

Bonnie Tyler ist zurück. Im Circus Krone stellt sie ihr neues Album vor

Von Michael Zirnstein, München

Bonnie Tyler geht sofort in die Offensive. Ungefragt kommt sie im Interview im Hotel Palace beim Prinzregentenstadion auf das Geheimnis ihrer ewigen Jugend zu sprechen: "Ich mache Botox, zwei Mal im Jahr. Wenn's hilft ..." Um derlei Auskünfte wird die 67-Jährige ("Ich fühle mich wie 38") wohl ständig gebeten. Es macht ihr offensichtlich nichts aus, ihr Alter zu kommentieren: "Ja, ich bin älter - und ich bin seit 50 Jahren im Geschäft. Das ist doch beides eine Leistung." Sie lacht das verschwörerische Fauchen einer Pilskneipenwirtin. Diese herzliche Offenheit der Waliserin ist es, deretwegen man den folgenden Satz nicht als den üblichen Werbespruch abschmettern möchte: "Oh mein Gott, ich liebe mein neues Album, es ist das beste meiner Karriere."

Tatsächlich hört man der ganzen Platte "Between The Earth And The Stars" jene jugendliche Begeisterung an, die aus der Zeile "I'm older but not colder" spricht. Man stellt sich dazu so einen frischen Soul-Jungstar mit Edel-Patina wie Joss Stone vor - weniger die Tyler als Dieter Bohlens Schlager-Poptante der Neunziger ("Bitterblue"), und die Eurovision-Song-Contest-Kandidatin Großbritaniens von 2013, die in Malmö mit 23 Punkten auf Rang 19 unterging. Nein, Bonnie Tyler ist zurück - und davon selbst überrascht. Denn eigentlich wollte sie gar kein neues Album aufnehmen. Eigentlich ging sie nur ins Studio, um ihre gefloppte Nashville-Platte "Rocks & Honey" von 2013 zu überarbeiten. Und dabei nahm sie gleich noch Demos von ein paar Songs auf, die es eigentlich gar nicht geben sollte: Kevin Dunne aus ihrer Band in den Siebzigern hatte sie ihr vorgelegt. Sie dachte: "Du bist Bassist, du kannst doch gar keine Lieder schreiben." Aber die Stücke wie "Hold On" hauten sie um. Dunne brachte sie auch wieder mit David Mackay zusammen, dem Produzenten ihrer ersten beiden Alben und somit ihrer ersten Welthits "Lost In France" und "It's A Heartache". Das alte Feuer war wieder entfacht, sagt Tyler, "der Kreis hat sich geschlossen".

Sie lässt das Fauchen nicht: Bonnie Tyler fühlt sich mit 67 Jahren und der neuen Platte auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. (Foto: Tina Korhonen)

Die Entstehungsgeschichte der Platte, die sie dann zum Besten gibt, böte Stoff für eine fröhliche Netflix-Serie aus dem Musikermilieu, in dem sie normalerweise - noch so ein Zufall - gar nicht abhänge. Es beginnt damit, dass Mackay die Demos seinem anderen Klienten Francis Rossi von Status Quo vorspielt, der sogleich ein Duett mit Tyler singen will. Weil Mackay Tennis-Fan ist, geht er nach Wimbledon, wo er Robin Gibb trifft, welcher sich anbietet, einen Song beizusteuern: Auf "Seven Waves Away" klingt Tyler nun wirklich etwas nach den Bee Gees, obwohl sie sich das freilich gar nicht zugetraut hatte: "Oh Gott, das ist der schönste Song, den ich je gehört hatte, so engelsgleich." Ihr Stimmtrainer, den sie vor jeder Show eine Viertelstunde lang telefonisch konsultiert, rät ihr aber: "Sei einfach du selbst." Das ist durchaus ein Erfolgsrezept der Platte, denn Tyler ist ja nicht nur ihre berüchtigte Käsereibestimme (das Resultat einer nicht auskurierten Stimmband-OP): Bevor sie entdeckt wurde, sang sie zehn Jahre lang sechs Tage die Woche in einem Pub alles mögliche von Soul über Country bis Funk, Rock, Blues und Tanzmucke. Alles kommt hier wieder zusammen, führt zurück in jene Power-Jahre, als Tyler mit dem Album "Faster Than The Speed Of The Night" als erste Frau überhaupt auf Platz 1 der britischen Charts schoss und mit "Total Eclipse Of The Heart" einen Jahrhundert-Schmachtfetzen für Sonnenfinsternisse und andere Mega-Events hinlegte.

Nächste Station: Barbados, wo sie mit Freunden wie Cliff Richards Urlaub machte. Kürzen wir's ab: Nach ein paar Wochen hatte sie den Song "Battle Of The Sexes" von Chris Norman und die Zusage von Rod Stewart, den zu singen. Jener Rod Stewart, als dessen weibliche Version sie stets gehandelt wird, den sie verehrt aber kaum kennt. Und dann wollte auch Cliff Richards - beim Indisch-Essen an ihrem Zweitwohnsitz Portugal - ein Duett.

"Was?! Was passiert hier gerade?", macht Tyler keifend ihre Reaktion von damals nach. Dabei ist sie nicht Promi-geil, es geht ihr um die Musik. Genauso freut sie sich nämlich, dass ihr Bruder ihr einen Kontakt zu der jungen Songwriterin Amy Wadge herstellte. Die schätzen vor allem Insider, seit sie für Ed Sheeran die Grammy-prämierte Ballade "Thinking Out Loud" verfasst hat. Wadge schrieb Tyler drei Songs, fühlte sich von ihr zur Nummer "Older" inspiriert, was die Sängerin nicht als Beleidigung auffasste, sondern als Kompliment.

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Bonnie Tyler , So., 28. April, 20 Uhr, Circus Krone

© SZ vom 27.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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