Süddeutsche Zeitung

Pop:Funktioniert "Friends" auch mit schwarzen Darstellern?

Nein, findet Rapper Jay-Z. Für den Song "Moonlight" hat er eine Szene der Serie originalgetreu nachgedreht. Aber heiter ist darin am Ende nur noch wenig.

Von Joshua Beer

Die violetten Wände, das schräge Dachfenster und der verschnörkelte Rahmen um den Türspion: Ja, es ist unverkennbar das Wohnzimmer von Monica und Rachel aus der legendären US-Sitcom "Friends". Und es ist es doch nicht: Der Rapper Jay-Z hat das Set detailgetreu nachbauen lassen, um darin eine Szene der Originalserie eins zu eins nachzudrehen. Die gleichen Klamotten, die gleichen Schnitte, exakt dieselben Dialoge, eigentlich kein Unterschied. Achja, einer vielleicht: Der komplette Cast ist schwarz statt weiß. Und das ändert alles.

Mit der Szene leitet der Rapper sein jüngstes Musikvideo zu dem Song "Moonlight" ein. Das Lied stammt von seinem neuen Album "4:44". Dementsprechend erschien es am 4. August um 4:44 Uhr nachmittags auf der Streamingplattform Tidal, mittlerweile kursiert es frei auf Twitter. Was will Jay-Z, der einstige Obermacho des Hip-Hop, der Welt damit mitteilen? Dass er nicht einmal davor zurückschreckt, den Inbegriff einer braven Wohlfühl-Sitcom zu featuren?

Die nachgespielte Szene stammt aus der populären Friends-Folge "The One Where No One's Ready" aus der dritten Staffel von 1996. Statt Jennifer Aniston, Matthew Perry und Co. sind bekannte amerikanische Comedians, Rapper und Schauspieler in die Rollen der New Yorker Clique geschlüpft. Sie alle eint, dass sie schwarz sind und sie scheinen eine heitere Botschaft zu haben: Schaut her, "Friends" funktioniert mit uns genauso wie mit weißen Darstellern! Joey nimmt einen tiefen Schluck Fett aus dem Kühlschrank, Ross tigert nervös durch das Zimmer und die eingespielten Lacher scheppern verlässlich aus dem Off. Doch Jay-Z belässt es nicht bei der etwas weichgespülten Botschaft.

Die Witze greifen nicht, wenn Schwarze die Szene spielen

Als das Handy des Joey-Darstellers Lil Rey Howery (aus der Kino-Horrorsatire "Get Out") klingelt, verlässt das Video die Erzählebene der Sitcom. Die Schauspieler legen eine Pause ein und die Kamera folgt dem schwarzen Ross, eigentlich Comedian Jerrod Carmichael, der jetzt das Set verlässt. Etwas Subversives habe er mit der "Friends"-Neuauflage machen wollen, erklärt er. Etwas, das "Kultur auf den Kopf stellt". Doch sein Kollege Hannibal Buress widerspricht höhnisch. Carmichael produziere nur Müll: "Das war fürchterlich! Wer will das sehen?"

Buress' Kommentar zerschlägt den noblen Anspruch des Videos, entlarvt ihn als schönfärberisch und naiv: Jay-Z will zeigen, dass Friends eben nicht mit einem schwarzen Cast funktioniert, dass die Gags nicht greifen und die Szene unglaubwürdig wird, sobald sie von Menschen seiner Hautfarbe dargestellt wird. Die komödiantische Struktur der Sitcom baut ausschließlich auf den Codes einer homogenen Gruppe weißer, heterosexueller New Yorker auf.

Das erkennt dann auch Carmichael im "Moonlight"-Video. In der nächsten Szene driftet er aus der Rolle als Ross, die Stimmen der anderen verhallen. Sein abwesender Blick scheint zu sagen: Ich passe hier nicht hinein, das ist eine Welt, die anderen vorbehalten ist. In letzter Konsequenz wandert er wie im Traum vom Set und gelangt durch eine Tür in einen nächtlichen Park, der irgendwie an ... genau, das Titelbild des Filmmusicals "La La Land" erinnert.

Der Übergang ist geschaffen, die ersten Töne von "Moonlight" erklingen wie auch die Stimme von Jay-Z: "Wir stecken fest im La-La-Land. Selbst wenn wir gewinnen, verlieren wir". Worauf er anspielt und wer mit "wir" gemeint ist: Das Drama "Moonlight" gewann mit einer fast ausnahmslos schwarzen Filmcrew den Academy Award für den Besten Film, doch ein vertauschter Umschlag vermasselte die Vergabe im Februar. Warren Beatty und Faye Dunaway verkündeten zunächst "La La Land" als Gewinner, bevor die Verwechslung zügig, aber zu spät aufgeklärt wurde.

Jay-Z hebt den Patzer in seinem Musikvideo auf eine Metaebene, macht ihn zu einem Symptom einer immer noch bestehenden Ungleichheit zwischen Weißen und Schwarzen in den USA. Indem er Friends als Einstieg wählt, argumentiert er, dass in der Filmwelt ein exklusiver, für Weiße reservierter Raum besteht. Als das klar ist, ist die heitere Friends-Stimmung schon längst dahin.

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