Pop:Dieser Milchporno ist ein feministischer Fehltritt

Pop: Screenshot aus "M.I.L.F. $"

Screenshot aus "M.I.L.F. $"

(Foto: will.i.am music group/Interscope Records; Bearbeitung Jessy Asmus für SZ.de)

Die frühere "Black Eyed Peas"-Sängerin Fergie ist mit einer neuen Single zurück. Mit "M.I.L.F. $" verhebt sie sich gründlich.

Off the Record: die Pop-Kolumne von Carolin Gasteiger

"We learned more from a three minute record than we ever learned in school", sang Bruce Springsteen 1984. Und das stimmt auch heute noch. Pop kann uns die Welt erklären - in unserer wöchentlichen Musik-Kolumne.

Nein, Fergies neues Motto ist nicht "Die Milch macht's" - auch wenn das Video zu ihrem Song "M.I.L.F. $" (ausgesprochen: MILF Money) das suggerieren mag. Die Abkürzung steht für "Moms I'd like to fuck", Fergie hat ihn umgenannt ihn "Moms I'd like to follow". Ein attraktiver Milchmann trifft in Milfville auf ebenso attraktive Mütter. Die eine stillt im Vorgarten ihr Baby. Die andere kandidiert als Bügermeisterin, eine dritte trimmt die Hecke in Delfinform. Die Kulisse ist pastellfarben, die Ästhetik erinnert an Eurotrash wie Aquas "Barbie Girl", aber diesmal mit klarem, ungekünsteltem Mainstream-Hip-Hop. "Heard you in the mood for a little Milfshake/ Welcome to the Dairy Dutchess Love Factory", rappt Fergie.

Aber ihr geht es nicht um Milch, sondern um Mütter. Um solche, die "einen Job haben, eine Karriere verfolgen, Familie haben und immer noch Zeit finden, sich um sich selbst zu kümmern und sexy zu fühlen", erklärt Fergie in einem Interview. Das veranschaulichen nicht etwa unbekannte Muttis, sondern unter anderem die Topmodels Alessandra Ambrosio und Chrissy Teigen sowie Kim Kardashian. Sie würden ihre Botschaft "natürlich mit einem Augenzwinkern ;)" transportieren, so Fergie.

Leider ist es aber genau dieses Augenzwinkern, das Fergies feministische Botschaft zu einem Fehlversuch werden lässt. Sie habe die ganze Woche gearbeitet, "wo zur Hölle ist mein Drink?", rappt Fergie im überladenen Bling-Bling-Outfit - das wirkt dann wie eine billige Parodie. Oder wenn Kim Kardashian auf überdimensionalen High Heels in Milch duscht. Umgeben sind die Ladies stets von jungen Typen, die sie anhimmeln. Aber damit wir Fergies Message nicht falsch verstehen: "Weil wir UNABHÄNGIG sind, weißt du was das heißt? Ihr werdet mich nicht PLEITE sehen, ich VERDIENE GELD."

Eine einzige pompöse Anklage

Auch musikalisch hat Fergie sich ein bisschen verhoben. Der Beat klingt wuchtig, die Bässe dumpf, Standardprogramm. Originell klingt das nicht, eher angestrengt. Eine pompöse Anklage, ein einziges Geballer, die Rap-Passagen könnte Nicki Minaj nicht schneller ausspucken. Fergies erstes Album war auch deshalb so gut, weil sie anders als bei den "Black Eyed Peas" endlich singen konnte. Aber das scheint auf einmal vergessen. In der Bridge schreit Fergie nur noch, wie eine Getriebene. Und den Part "I got that Milf money" scheint sie schier endlos zu wiederholen - als wollte sie auch rhythmisch über jegliche Post-Geburts-Selbstzweifel hinwegtäuschen.

Aber das genau ist der Punkt. Fergie richtet ihren Appell nicht an x-beliebige Mütter, die verzweifelt versuchen, Kind und Karriere zu vereinbaren. Sie will nicht diejenigen Mamas stärken, die zwischen Job und Familie hin- und hergerissen sind, oder diejenigen, denen ihr Körper nach einer Geburt vielleicht fremd vorkommt. Fergies Appell richtet sich allein an Fergie.

Mit "M.I.L.F. $" will sie sich selbst und niemandem sonst beweisen, wie jung, sexy und erfolgreich sie zehn Jahre nach ihrem ersten Album "The Duchess" sein kann. Trotz oder gerade wegen Babypause - geschenkt. Aber wer hätte das bezweifelt? Als hätte irgendjemand infrage gestellt, dass Fergie sich nicht auch mit Stillbusen sexy in einem Schaumbad räkeln oder mit möglichen Schwangerschaftsstreifen in Hot Pants twerken kann. In ihrem Clip zeigt Fergie, wie heiß Mütter sein können - es geht um wenig mehr. Das mag schön sein für Fergie. Aber es ist traurig für die Welt.

Vergangenes Jahr widmete Amy Schumer sich mit "Milk Milk Lemonade" bereits ironisch dem ewigen Hintern-Getue und platten Körperflüssigkeitsmetaphern. Außerdem posierte sie nackt für Annie Leibovitz. Von so einem natürlichen Selbstbild ist Fergies Video himmelweit entfernt. Der Clip ist nicht mal komisch. Und das hätte man bei dem versprochenen Augenzwinkern doch im Mindesten erwarten können. Mit dem platten Feminismus von "M.I.L.F. $" dürften die meisten Mütter nichts anfangen können.

Es bleibt zu hoffen, dass "M.I.L.F.$" auf dem neuen Album "Double Duchess" ein Ausrutscher ist. Denn dieser Track ist alles andere als herzöglich.

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