Pop:Die letzte Keimzelle des Dilettantismus

The Heisenberghs

"Die kleine Band mit dem großen Durst": "The Heisenberghs" spielen bei "Soylent Gelb".

(Foto: Hicktown Records)

Auf Punk-Festivals wie "Jumpin' Round The X-Mas-Tree" bieten Robert Graf und Klaus Suchanek gutes Programm zum günstigen Eintritt. Doch die Veranstalter brauchen einen neuen Ort für ihre Reihe "Soylent Gelb"

Von Dirk Wagner

Unmoderner als Robert Graf und Klaus Suchanek sind selten Menschen gekleidet, die sich in einer Szene bewegen, die stark über ihre Äußerlichkeiten definiert wird. Auch wenn, und vielleicht sogar gerade weil man es ihnen überhaupt nicht ansieht, darf man die beiden Gestalten zum wirklich harten Kern der Münchner Punk-Szene zählen. Wobei beide auch weltoffen Konzerte von Justin Bieber, Muse oder Tokio Hotel besuchen, vorausgesetzt, sie können irgendwo eine Freikarte ergattern. Viel Geld haben sie offensichtlich nie. Immer wieder in ihrer 20-jährigen Laufbahn als Hobby-Veranstalter der Party- und Konzertreihe "Soylent Gelb" im Sunny Red und in anderen Spielstätten waren die beiden zugleich arbeitssuchend. Möglicherweise hat genau das dazu geführt, dass sie nie übersahen, wie teuer der Kulturgenuss in München oft ist, und wie notwendig es ist, Menschen ein gutes Programm für wenig Geld zu bieten.

Freilich geht so etwas nur mit einer fast schon schäbigen Selbstausbeutung: Die Veranstalter überlassen den gesamten - auffällig geringen - Eintritt für ihre Konzerte den Musikern. Natürlich brauchen sie auch die Unterstützung durch geförderte Institutionen wie das Feierwerk, das der Veranstaltungsreihe seine Räume jahrelang kostenfrei zur Verfügung stellte. "Leider sind wir mittlerweile zu alt, um den Förderrichtlinien einer Jugendkulturwerkstatt zu entsprechen", erklärt Graf, warum "Soylent Gelb" am 1. Mai 2015 zum letzten Mal regulär im Feierwerk gastierte. Seitdem sind er und Suchanek auf der Suche nach einer neuen Bleibe, wo sie weiter junge Bands fördern - und alter Legenden gedenken. Wo neben vielen unbekannten Musikern auch mal Helden der Szene aufspielen. Die Punkband Condom zum Beispiel, deren Gitarrist Peter Pichler lobt: "Soylent Gelb ist die letzte Keimzelle des Münchner Dilettantismus".

"Man kann ja nicht nur unbekannte Bands auftreten lassen. Dann kämen gerade mal 30 Hanseln", sagt Klaus Suchanek. Wobei sein Publikum, das Altpunks mit jungen Gästen mischt, dem Programm nach nun 20 Jahren ein gewisses Grundvertrauen entgegenbringt. Trotzdem befürchtet Suchanek, dass seine Zielgruppe ihm zwar zu jeder Band folgt, nicht aber zu jeder Bühne. Die Münchner Punks scheinen sich da vorwiegend in Läden wie Feierwerk, Glockenbachwerkstatt und Kafe Marat heimisch zu fühlen. Oder um es mit Suchanek zu sagen: "Der Marat-Irokese geht nicht in die Garage Deluxe." Möglicherweise spielen den Punks dort regulär viel zu viele Heavy-Metal-Bands. Möglicherweise stößt sich die linke Punk-Szene aber auch daran, dass dort schon Partys mit der Musik von vermeintlich rechten Bands wie Böhse Onkelz oder Freiwild beworben wurden. Trotzdem nutzen die Macher von "Soylent Gelb" den kleinen Rockclub in der Friedenstraße 10. Am Freitag, 23. Dezember, findet dort ihre traditionelle Weihnachtsparty statt. Unter dem Motto "Jumpin' Round The X-Mas-Tree" treffen die Münchner Rockbands Jadeapes und Subnotes auf Bullhead aus Olching und Professor Grabowski aus Markt Indersdorf.

Im neuen Jahr wird dann ausnahmsweise noch einmal im Sunny Red des Feierwerks gefeiert. Dort im Keller, wo alles anfing, steigt am 4. Januar die Party zum 20. Geburtstag von "Soylent Gelb". Mit den Punkbands The Heisenberghs, T-Bone & The Scallywags, Acht Bier Später und Kentucky Schreit. Bei letzterer spielt - eine Seltenheit in der Szene - eine Saxofonistin mit. "Wenn es nach mir ginge, würden ja viel mehr Bands mit Frauen hier spielen", sagt Suchanek und bittet darum, dass interessierte Musikerinnen sich doch bei ihm über die Homepage (www.soylent-gelb.de) melden.

Jumpin' Round The X-Mas-Tree, Fr., 23. Jan., 20 Uhr, Garage Deluxe, Friedenstraße 10

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