Pop:Der Zwiespalter

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(Foto: N/A)

Der Sänger und große Melancholiker Morrissey eiert jetzt schon seit Jahren zwischen seinem Status als Rebell und seinen Ansichten als latent Rechtsradikaler herum. Jetzt hat er ein Cover-Album veröffentlicht - warum nur?

Von Andrian Kreye

Der große Melancholiker Morrissey hat ein Album mit 12 Coverversionen aufgenommen: "California Son" (Warner). Er singt Bob Dylan und Joni Mitchell, Carly Simon und Dionne Warwick, Roy Orbison und Melanie. Das ist weniger ein Tribut an Vorbilder als der Aufbau eines sehr persönlichen Kanons. Den präsentiert er auf seiner aktuellen Tour sehr viel ausführlicher, als Videoblock vor den Konzerten. Da kommen dann auch James Baldwin, die Filme der Nouvelle Vague und Chrissie Hynde dazu.

Nachdem er gerade 60 geworden ist, könnte man das als Beginn eines Alterswerkes interpretieren. Andererseits eiert Morrissey jetzt schon seit Jahren zwischen seinem Status als Rebell und seinen Ansichten als latent Rechtsradikaler herum. So wirkt dieser Fokus auf Protest- und Wohlfühlmusik aus den Sechziger- und Siebzigerjahren wie eine Art kalifornischer Biedermeier, also die Flucht ins sehr Private.

Musikalisch geht der Sänger auf dem Album durchaus Risiken ein, erlaubt sich zum Beispiel, an Roy Orbison zu scheitern, bringt aber Phil Ochs zu neuen Ehren und Höhen, verliert sich in Joni Mitchells Flirren . Seine Stimme behält dabei fast immer dieses Hypnotische, das ihn zum Superstar machte. Es fehlen vielleicht die Wucht und der Zorn auf diesem Album. Aber auch der Rückzug gelingt ihm als große Geste.

Wer das jetzt unbedingt hören will - nicht alle haben so viel Geduld mit ihm wie seine Fans. Ein erster Plattenladen hat Morrisseys Gesamtwerk schon aus den Regalen genommen, weil er bei einem Auftritt in der Latenight Show von Jimmy Fallon vergangene Woche zwar nichts Politisches gesagt, aber eine Anstecknadel der rechtspopulistischen Splitterpartei "For Britain" getragen hatte. Und zwar nicht irgendein Laden, sondern Spillers Records in Cardiff, der 1894 gegründete und damit älteste noch existierende Plattenladen der Welt.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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