Pop:David Bowies letzter Gruß

David Bowie

Abschiedsfoto - so sollte sich die Welt an ihn erinnern.

(Foto: Jimmy King/Sony)

Posthum erscheinen drei Songs des verstorbenen Musikers. Sie sind furios - wenn nur der Kontext nicht wäre.

Von Andrian Kreye

Es ist eigentlich noch zu früh, etwas Schlechtes über David Bowie zu schreiben. Aber es geht jetzt um sein Erbe. Zu diesem Erbe gehören drei unveröffentlichte Songs, die an diesem Freitag erscheinen. Und zwar als Zugabe zum Album seines Musicals "Lazarus" (Sony). Da muss man einfach die Frage stellen, ob das hat sein müssen. Das mit dem Musical.

Die drei neuen Songs sind grandios. Sie heißen "No Plan", "Killing A Little Time" und "When I Met You". Entstanden sind sie für das Musical, aber während der Aufnahmen für sein Abschiedsalbum "Black Star". Das hatte sein langjähriger Gefährte Tony Visconti produziert. Bowies Band war das Jazzquintett um den Saxofonisten Donny McCaslin, das "Black Star" letztendlich zu einem zwiespältigen Album machte. Nachdem es zwei Tage vor seinem Todestag erschienen war, konnte man sich das ja nicht einfach so anhören. Es war das Vermächtnis eines überdimensionalen Künstlers, der schon lange das Format des Rockstars hinter sich gelassen hatte. Was er da gemeinsam mit den fünf New Yorker Jazzmusikern abgeliefert hatte, schien der Gipfel seines Gesamtwerks zu sein.

Man sieht David Bowie vor sich, wie er in der 55 Bar saß und gebannt den Jazzern zuhörte

Wie so vieles Wegweisendes war "Black Star" aber vor allem ein Kraftakt. So viele musikalische Schichten, Bedeutungsebenen und Subtexte kannte man selbst von David Bowie nicht. Im Vergleich dazu sind die drei neuen Stücke sehr viel klarere Songs im eigentlichen Sinne.

Das beginnt mit "No Plan", einer etwas vernebelten Ballade mit einem leichten Shuffle auf dem Schlagzeug, Gitarrenakkorden, die so sparsam angezupft sind, dass nur Akzente bleiben. Dahinter ziehen Saxofon und Keyboards wattige Klangschleifen, die Bowies zutiefst melancholischem Gesang folgen, als seien es musikalische Kondensstreifen.

Danach kommen, wie ein Bruch, die kantigen, verzerrten Gitarrenriffs von "Killing A Little Time", unter denen der Drummer den klassischen Rockbeat, den man erwartet, mit einem Furor auflöst, als müsse er ganz dringend verhindern, dass jemand die Anspielungen auf den Stadionrock der Achtzigerjahre ernst nimmt. "When I Met You" wird schließlich von einem Bass bestimmt, der über einem fast beiläufigen Elektrorhythmus so ungestüm nach vorne treibt, wie das sonst nur Tina Weymouth von den Talking Heads beherrschte. Alle drei Songs funktionieren wie ein gelungenes Mini-Album. Wenn man nur den Kontext vergessen könnte, in den sie gehören.

Bowies Werk gerät an seine Grenzen

David Bowie schrieb das Musical "Lazarus" gemeinsam mit dem irischen Dramatiker Enda Walsh. Es erzählt die Fortsetzung der Geschichte des Außerirdischen Thomas Jerome Newton aus Nicolas Roegs Film "Der Mann, der vom Himmel fiel", in dem David Bowie die Hauptrolle spielte. Im Musical spielt Michael C. Hall diese Figur. Man kennt ihn etwa aus den Fernsehserien "Dexter" und "Six Feet Under".

Hall und das Ensemble singen sich mit ihrem Musicalhandwerk leidlich gut durch eine ganze Reihe Bowie-Songs. Da aber gerät selbst Bowies Werk an seine Grenzen. Es gibt wahrscheinlich keine Kunstform, die so seelenlos den Kanon plündert, wie das Broadway-Musical. Und weil der Musical-Welt schon lange die Ideen ausgegangen sind, entstand das erbärmliche Genre des Jukebox-Musicals.

Wie eine Hommage an Bowies Berlin-Zeiten

Dabei wird um einen bewährten Songkatalog eine Handlung herumgestrickt. Das ist schon Abba, Queen und Billy Joel widerfahren. Weil im Musical aber Handwerk im Akkord verrichtet wird, müssen selbst großartige Songs auf Konfektionsmaß herunterarrangiert werden. Wenn Sophia Anne Caruso "Life On Mars" anstimmt, klingt das noch nach Castingshow. Die Ensemble-Version von "Heroes" säuft im kalten Broadway-Pathos über mageren Elektroakkorden unter Karaoke-Niveau ab.

Wer die drei großartigen neuen Songs im richtigen Kontext hören will, sollte das Musical-Album einfach nicht anrühren, sondern sich lieber das neue Album von Donny McCaslin "Beyond Now" (Motema) besorgen. Das beginnt wie eine Hommage an Bowies Berlin-Zeiten, also mit einem kantigen Groove, der sich nach ein paar Strophen aber in eine der harmonisch gefestigten Freilaufzonen entlädt, wie sie Miles Davis und seine Jünger in den Siebzigerjahren schufen.

Überhaupt steigern sich McCaslin und seine Band im Laufe des Albums immer wieder so furios in Spannungsbögen hinein, dass man David Bowie vor sich sehen kann, wie er vor ein paar Jahren in der New Yorker 55 Bar saß und immer gebannter zuhörte, wie sich diese jungen Jazzmusiker in Ekstase spielen, ohne Form und Fassung zu verlieren. Und dann beschloss, dass er sein letztes Werk mit ihnen schaffen muss.

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