Pop:Ben LaMar Gay

BenLaMarGay
(Foto: Label)

Wie würde es klingen, wenn sich Louis Armstrong, Django Reinhardt und Gilberto Gil zum Tanztee getroffen hätten? Wie Ben LaMar Gays neues Album.

Von Jens-Christian Rabe

Es gibt Popmusik, also zum Beispiel das Album "Downtown Castles Can Never Block The Sun" (International Anthem) von Ben LaMar Gay, über die kann man eigentlich nur Dinge schreiben, die mit höchster Wahrscheinlichkeit exakt das Gegenteil von dem erreichen, was sie im Sinn haben. Oft begegnet einem dann sofort das grausige Wort "hybrid" und man sitzt nicht mehr im Konzert, sondern in einem Botanik-Seminar oder einem Autohaus. Um eine so wahnwitzig wie großartig zusammengepuzzelte Musik wie die des Amerikaners Ben La Mar Gay erfolgreich unter die Leute zu bringen, wäre es viel besser, man würde mit einem Kopfhörer durch die Fußgängerzone flitzen und ihn einfach mal dem nächsten freundlichen Menschen auf den Kopf setzen. In aller Zärtlichkeit natürlich. Es müsste dann zum Beispiel der Song "Miss Nealie Burns" laufen, der als unwiderstehlich eiliger Banjo-Gypsy-Big-Band-Swing beginnt, mit ganz großem Bläser-Tröten, bevor sich unmerklich - aber völlig zwingend - diese hauchzart-elegischen Tropicália-Gesänge unter das Spektakel schieben. Als ob sich Louis Armstrong, Django Reinhardt und Gilberto Gil zum Tanztee getroffen hätten. Wer dabei nicht mindestens glücklich grinst, dem ist auf dieser Welt nicht mehr zu helfen. "Swim Swim" könnte ebenfalls ganz gut funktionieren: Vollgas-Balalaika mit knochentrockenem Break-Beat-Trommeln und Spoken-Word-Raunen und Tropicália-Chören. Der Soundtrack für einen retrofuturistischen Blockbuster, in dem sich Afrika und Südamerika um die Weltherrschaft streiten - und deshalb einen Stellvertreterkrieg in Russland führen. Und selbst da, wo auf Ben LaMar Gays Album die Kollisionen eher skizzenhaft bleiben, beim hypnotisch-dröhnenden "18 Hairdresser: Braids & Fractals" etwa oder dem mächtig bouncenden Club-Rumpler "A Seasoning Calles Primavera", hat man immer noch den Eindruck, Material und Ideen vor sich zu haben, aus denen andere Musiker eine ganze Karriere basteln würden. Oder vier oder fünf. Musik zu einer Zeit, von der wir dereinst in unseren kühnsten Träumen hoffen werden, es hätte sie wirklich einmal gegeben.

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