Pop:Auf der wilden Seite

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Holly Woodlawn, geboren 1946 in Puerto Rico, wurde in den Siebzigern unter der Ägide von Andy Warhol zu einem Star der New Yorker Kunstszene. (Foto: AFP)

Die Warhol-Muse und Travestie-Künstlerin Holly Woodlawn ist gestorben. In den Siebzigerjahren war Haraldo/Holly ein Star der New Yorker Kunstszene.

Von David Steinitz

Die legendäre Travestie-Künstlerin Holly Woodlawn hieß eigentlich Haraldo Santiago Franceschi Rodriguez Danhakl, was zugegebenermaßen kein guter Künstlername ist.

Als der junge Haraldo, geboren 1946 in Puerto Rico und aufgewachsen in Miami, Ende der Sechziger mit viel Lebenshunger ins wilde New York trampte, legte er sich deshalb ein weibliches Pseudonym zu. Dessen Vornamen, Holly, hatte er sich bei Truman Capotes lasterhafter Heldin aus "Frühstück bei Tiffany" abgeschaut.

Holly Woodlawn wurde dann selbst eine Ikone, ihre Ankunft im rauschhaften New York war zumindest ein kleiner Urknall. Der große Lou Reed sang darüber, in einem der schönsten Songs überhaupt - "Walk On The Wild Side": Holly came from Miami, FLA / Hitch-hiked her way across the USA".

Der Tramp aus Florida mit den gezupften Augenbrauen geriet an genau den richtigen Mann, um zu jener Zeit die Grenzen der Kunst, der Sexualität, der Individualität auszutesten: Andy Warhol. Sie spielte in einigen Filmen, die in seiner Factory entstanden - "Trash" (1970) oder "Women in Revolt" (1971) - und wurde zu einem seiner "Drag-Queen-Superstars". Das Verwischen zwischen den Geschlechtergrenzen ging damals so weit, dass der Regisseur George Cukor forderte, Haraldo/Holly müsse für "Trash" den Oscar als beste Hauptdarstellerin bekommen. "Ich habe mich gefühlt wie Elizabeth Taylor", sagte Holly später.

Nur in den Jahren danach erging es ihr leider wie vielen Überlebenden der Exzesse der Siebziger: Sie geriet ein wenig in Vergessenheit. 1991 erschien ihre Autobiografie, "A Low Life in High Heels" - aber dieses niedere Leben in hohen Schuhen, das Woodlawn zuletzt noch mal in der Amazon-Hitserie "Transparent" in einer kleinen Nebenrolle reaktivierte, hat sie trotzdem nie bereut. "Die Drogen, die Partys, die Nächte mit Mick Jagger und Fellini im Backstageraum - es war sagenhaft." Am Sonntag ist Holly Woodlawn im Alter von 69 Jahren an Krebs gestorben.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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