Süddeutsche Zeitung

Pop:Allgäuer Allerlei

Lesezeit: 2 min

Das Album "Oberste Schublade" von Rainer von Vielen

Von VIVIAN HARRIS, München

Wenn eine sibirische Stammesführerin auf der gleichen Platte singt, auf der auch eine Fusion aus Jodel und Elektro sowie ein Kinderlied zu hören sind, fällt es schon schwer, diese Platte einem Genre zuzuordnen. "Ich glaube daran, dass es möglich ist, sich ganz neu zu erfinden", singt Rainer von Vielen, der seine Band nach seinem Namen benannt hat, ohnehin auf dieser Platte. Das Allgäuer Alternative-Quartett jedenfalls möchte sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Und wenn, dann nur in eine bestimmte. So heißt der neue Langspieler auch "Oberste Schublade" und bündelt musikalische Experimente der letzten Jahre, die mal melancholisch und mal unbeschwert albern klingen. Live zu hören gibt es Rainer von Vielen jetzt an drei Abenden im Theater in Kempten und am 28. November in Nürnberg, und da wird jedes Lied zu seinem eigenen Kunstwerk mit eigenem Konzept.

Vor 20 Jahren hat die musikalische Metamorphose von Rainer Hartmann, dem Frontmann der Band und musikalischem Tausendsassa, begonnen. "Alles und noch mehr" hieß die erste Platte, die er als Rainer von Vielen - damals noch als Ein-Mann-Club-Rapper - Mitte der Neunzigerjahre veröffentlichte, nachdem er bereits mit der Band Funkenflug zwei Alben aufgenommen hatte. Es folgte ein Gastspiel bei der Stuttgarter Hip-Hop-Blues-Gruppe Good Men Gone Bad während seiner Studienzeit an der Ludwigsburger Filmakademie. Nach seinem Diplomfilm lieferte er auch Songbeiträge für Filme, und im selben Jahr wurde mit Orange die nächste Band gegründet, eine Synthese aus elektrischer und akustischer Goa-Musik. Und dann gab es auch noch die Zusammenarbeit mit der britischen Dark-Wave-Diva Anne Clark. Das war aber erst, nachdem die Band Rainer Von Vielen ihren Durchbruch hatte. Als Gewinner des Protestsong-Contests des hippen österreichischen Radiosenders FM4 wurden viele auf die Kemptener aufmerksam. Und wie es sich als richtige Protest-Band gehört, heißt ein Song des neuen Albums "Propaganda". Worum es in dem Beat-Kracher genau geht, bleibt allerdings aufgrund der Fantasiesprache und der Untertonstimme, für die Rainer von Vielen bekannt ist, im Dunkeln.

In den vergangenen Jahren haben sich Rainer von Vielen und seine Bandkollegen viel mit Theatermusik beschäftigt. So entstand unter anderem das Theaterkonzert "Mythen der Freiheit". Seit Kurzem sind die vier Musiker wieder als Theaterband unterwegs. Die Songzeile "Ich kann jetzt durchatmen" aus der langsamen Nummer "Es ist ok", die gleich nach einer Interpretation vom Kinderlied "Hände zum Himmel" folgt, scheinen Rainer von Vielen also nur bedingt zu beherzigen.

Rainer von Vielen ; Mi. bis Fr., 21. bis 23. November, 20 Uhr, Theater Kempten, Mittwoch, 28. November, 20 Uhr, Nürnberg, Fürther Str. 63.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4219165
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.