Oh ja, es hat sich viel verändert. Früher lief eine Plattenveröffentlichung so: Musiker nimmt Album auf, Musiker veröffentlicht Album, dazu gibt's das dann auch im Internet, eher so als Ergänzung und für unterwegs. Läuft natürlich längst nicht mehr so. Aber die Chainsmokers, das hypererfolgreiche Remix-Duo aus New York, dreht das Procedere jetzt endgültig um. Im vergangenen Jahr haben sie immer wieder einzelne Songs veröffentlicht, insgesamt neun, die liefen im Radio und vor allem bei Spotify, Apple Music und allen weiteren Streamingdiensten. Erst dann wurden die Songs zusammengekehrt, um ein weiteres Stück ergänzt und zu Weihnachten als Album veröffentlicht. Aber immer noch nicht als CD, sondern nur bei iTunes. Als physisches Produkt aber - und jetzt sind wir beim altmodischen Handel mit Tonträgern -, als CD kommt das Album "Sick Boy" erst jetzt in die Läden. Zumindest da, wo es überhaupt noch Regale für CDs gibt. Es werden sich vermutlich so um die fünf Exemplare verkaufen. Aber das interessiert die Band wohl wenig. Sie lassen über ihr Label ausrichten, dass die Songs des Albums längst mehr als eine Milliarde Streams im Internet erreicht haben. Warum also noch die Herstellung vorsintflutlicher Silberscheiben? Vermutlich reine Liebhaberei.
Ach so, die Musik. Wie immer eine geschmeidige Mischung: verträumte Gesangslinien, verhuschte Akkorde, dann aber zu jedem Refrain satte Bässe, im Hintergrund gern mal großraumdiscokompatible Synthesizer-Fanfaren. Die Chainsmokers beherrschen die Kunst, Mainstream-Pop zu machen, der zugleich nach Die-ganze-Nacht-Tanzen und Die-ganze-Nacht-Kuscheln klingt.